Beschluß der Landesbezirksdelegiertenkonferenz ver.di-Hessen vom 05.04.2003 Kein weiterer Ausbau des Frankfurter Flughafens 1. Der ver.di Landesbezirk Hessen lehnt jeden weiteren Ausbau des Frankfurter Flughafens ab 2. Der ver.di Landesbezirk Hessen fordert ein sofortiges und generelles Nachtflugverbot. 3. Der ver.di Landesbezirk Hessen fordert die Entwicklung von Alternativkonzepten, die von einer Integration verschiedener Verkehrsträger und Verkehrswege ausgehen. 4. Der ver.di Landesbezirk Hessen ruft alle Mitglieder auf, sich an Bündnissen und Bürgerinitiativen gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens zu engagieren. Der ver.di Landesbezirksvorstand Hessen wird beauftragt, diese Position in den zuständigen DGB-Gremien durchzusetzen. Begründung: Jede Form der Produktionskraftentwicklung birgt Risiken für Gesundheit und Umwelt. Die Risiken und Chancen dieser Entwicklung sind abzuwägen. Wenn aber der verheißene Fortschritt die Gesundheit der Menschen zerrüttet und ihre lebensweltlichen Interessen erstickt, muß er verhindert werden. Das Arbeitsplatzargument für den weiteren Flughafenausbau wird dann zu einem tatsächlichen Totschlagsargument. Statt das jahrzehntelang versprochene Gesamtverkehrskonzept für Schiene, Luft und Straße endlich vorzulegen, sehen Bund und Land als Anteilseigner tatenlos zu, wie die privatisierten Fluggesellschaften sich untereinander und mit der Bahn in einen ruinösen Verdrängungswettbewerb stürzen. Mit ihren Dumpingpreisen schaffen die Fluggesellschaften selber erst die Nachfrage, auf die sich die Befürworter des weiteren Flughafenausbaus dann berufen. Gewerkschaften, die sich dieser betriebswirtschaftlichen Logik unterwerfen und zulassen, dass die Belegschaften gegeneinander getrieben werden, zerstören sich selbst. Aus unserer Sicht stellt das Ergebnis des Mediationsverfahrens kein tragfähiges Konzept für den Flughafenausbau dar. Vielmehr wird deutlich, dass grundsätzliche Fragen unbeantwortet bleiben, bzw. diesbezügliche Gutachten in Zweifel zu ziehen sind – was durch die stattgefundene Erörterung wiederum deutlich geworden ist. Insbesondere die prognostizierte Arbeitsplatzentwicklung, die seitens der Befürworter als Hauptargument angeführt wird, hat sich methodisch als äußerst fragwürdig erwiesen. Befragt wurden vom Ausbau begünstigte Firmen usw. Die „Negativseite" des Ausbaus fehlt in den Gutachten ebenso wie eine Gesamtbilanz der Arbeitskräfteentwicklung. Die Notwendigkeit des Ausbaus mit der Schaffung von Arbeitsplätzen zu begründen, hält der Arbeitsamtsdirektor Frankfurts für „verlogen". Schriftliche Garantien für geplanten Aufbau von Beschäftigung gibt es nicht. Unsere Erfahrungen der letzten Jahre zeigen in eine andere Richtung. Nicht erfüllt ist die Forderung nach einem integrierten zukunftsfähigen Verkehrskonzept, das auch andere Verkehrsträger und eine weitere notwendige vernetzte Betrachtung des Luftverkehrs einbezieht. Obgleich technisch machbar und an anderen Flughäfen umgesetzt, ist ein umfassendes Nachtflugverbot zur Minimierung der ohnehin schon vorhandenen unzumutbaren Lärm- und gesundheitlichen Belastungen der betroffenen Anwohner/innen nicht als Vorleistung vorgesehen und faktisch nicht abschließend gesichert. Unser Eindruck insgesamt ist, dass soziale und ökologische Rahmenbedingungen, dass die Entwicklung der Lebensqualität und des Naturschutzes keineswegs mit Vorrang beachtet worden sind. Offensichtlich droht mit dem Planungsverfahren zur Flughafenerweiterung und dem Ausbau-Beschluß wieder einmal der Faktor Mensch und der Schutz natürlicher Lebensgrundlagen ins Hintertreffen zu geraten. So steht fest, dass die Mediation und Verlautbarungen der Ausbaubefürworter/-innen wesentliche Fragen nach der im Grundgesetz verankerten körperlichen Unversehrtheit, der freien Entfaltung der Persönlichkeit und dem Schutz von Lebens-, Eigentums- und sozialen Interessen der Menschen im Einzugsbereich des Flughafens nicht aufgegriffen bzw. nicht beantwortet haben. So unter anderem: - Fragen der vielfältigen Auswirkungen des (Flug)Lärms und der Emissionen auf die Gesundheit und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, Alten und Kranken, arbeitenden Familien, insbesondere Schichtarbeiter/-innen; - Fragen nach dem zunehmenden Gefahrenpotential z.B. durch Flugzeugabstürze; - Fragen nach Freizeit-, Wohn- und (Nah)Erholungswert einer ganzen Region; - Fragen nach drohenden Wanderungsbewegungen, sozialer Lärmverslumung und der weiteren Einengung kommunaler Entwicklung und Selbstverwaltung; - Fragen nach der „Enteignung" erarbeiteten Eigentums zur Lebensabsicherung durch Wertverlust So steht fest, dass die Mediation und die Verlautbarungen der Ausbaubefürworter/-innen Fragen der weiteren Belastung natürlicher Lebensgrundlagen durch den geplanten Flughafenausbau gleichfalls nicht ausreichend aufgegriffen bzw. beantwortet haben. So unter anderem: - Die nachhaltigen Folgen weiterer Einschläge in den seit der Römerzeit erhaltenen (Bann)Wald; - Die weitere Belastung von Luft, Wald, Boden und Wasser mit kurz-, mittel- und langfristigen Folgen für das Klein- und Gesamtklima der Region, für den empfindlichen Wasserkreislauf, die Landwirtschaft, den Regelkreis von Natur, Tier- und Pflanzenwelt, kurz für das Ökosystem Rhein-Main und für die Erdatmosphäre bei ungebremst steigenden Flugbewegungen - So steht fest, dass die Mediation und die Verlautbarungen der Ausbaubefürworter/-innen Fragen nach künftigen Fracht- und Personenverkehrskonzepten unter dem Einschluß aller Verkehrsträger auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene nicht hinreichend aufgegriffen und beantwortet haben und weder eine Gesamtstudie über die komplexe Steigerung des Gesamtverkehrsaufkommens in der Region bei geplantem Ausbau, noch eine praxisnahe, zukunftsorientierte Studie über die internetgestützte Kommunikations- und Logistikentwicklung der regionalen und interkontinentalen Märkte vorgelegt haben. Wir halten es für falsch die nachhaltige Entwicklung der Rhein-Main-Region und ihres Arbeitsmarktes auf die schiere Kapazität des Frankfurter Flughafens zu reduzieren und damit Entwicklungspotenziale auszublenden, die sich aus der Mischung traditioneller und zukunftsorientierter Forschungs-, Entwicklungs-, Produktions- und Dienstleistungsunternehmen vieler Branchen ergeben auf der Basis eines hohen Qualifikationsniveaus seiner Menschen und vielfältiger Bildungs- und Kulturangebote der Region. Die Balance zwischen Innovation, Wachstum und Lebensqualität muß in unserer Region erhalten bleiben. Dazu ist eine Gesamtstudie zur nachhaltigen Entwicklung unserer Region – unter Beteiligung der DGB-Gewerkschaften – erforderlich.