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12. Juni 2006
Novellierung des Fluglärmschutzgesetzes
Sehr geehrte Damen und Herren,
die in unserem Bündnis zusammengeschlossenen
mehr als 60 Initiativen im Rhein-Main-Gebiet wenden sich mit der
Bitte an Sie, das Fluglärmschutzgesetz nicht in der Fassung
des derzeitigen Entwurfs zu verabschieden. Die Gesundheit von
Hunderttausenden von Menschen im Ballungsraum Rhein-Main darf
den wirtschaftlichen Interessen der Luftfahrtindustrie nicht untergeordnet
werden.
Das veraltete Gesetz muss neu gefasst werden. Darin sind wir uns
mit der Luftfahrtbranche einig. Diese wünscht Planungssicherheit
und geringere Kosten. Wir, die betroffenen Bürger, erwarten,
dass wir besser vor den unzweifelhaft schädlichen Auswirkungen
des Fluglärms geschützt werden. Maßstab müssen
die neuesten Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung sein.
Der Gedanke der Gesundheitsvorsorge muss Vorrang haben vor den
von der Branche vorgetragenen Zweifeln, ob die dem Lärm zugeordneten
Krankheiten ausschließlich diese Ursache haben. Würde
der vorliegende Entwurf zum Gesetz, würde der Gesundheitsschutz
hinter das zurückfallen, was Richterrecht, vertragliche Regelungen
oder neuere Planfeststellungsbeschlüsse und das Ergebnis
des so genannten Mediationsverfahrens zum Ausbau des Frankfurter
Flughafens gegenüber dem Gesetz aus 1971 an Verbesserungen
gebracht haben. Dann lieber keine Neufassung!
Die vorgesehenen Grenzwerte, Definitionen, Fristen und Entschädigungen
sind für uns im Rhein-Main-Gebiet nach den bisherigen Ergebnissen
des laufenden Planfeststellungsverfahrens klar als eine ´Lex
Fraport´ erkennbar. Der geplante Ausbau soll ermöglicht,
erleichtert und billiger werden. Mit der geplanten Fassung des
Gesetzes kämen selbst die von der Hessischen Landesregierung
versprochenen Ergebnisse der so genannten Mediation nicht mehr
zum Tragen.
Das immer wohlfeile Argument Arbeitsplätze darf nicht missbraucht
werden. Die tatsächliche Entwicklung in der Luftfahrtbranche
zeigt eine deutlich andere Entwicklung als das, was die Propaganda
suggeriert. Prüfen Sie die Zahlen der Luftfahrtindustrie
ganz genau! Bei Fraport z. B. wird anders gezählt als in
den amtlichen Statistiken. Angeblich neue Arbeitsplätze dürfen
nicht mit lärmbedingten Krankheiten erkauft werden, schon
gar nicht mit der gestörten Entwicklung unserer Kinder.
Die deutsche Luftfahrtbranche würde auch nicht im Wettbewerb
benachteiligt, wenn die Kosten eines Tickets wegen der Schallschutzkosten
um wenige Cent steigen würden, selbst dann nicht, wenn es
um ein oder zwei Euro teurer würde, wie die Branche einmal
behauptet hat, als noch wesentlich höhere Grenzwerte im Gespräch
waren, die zu höheren Entschädigungen geführt hätten.
Die Fluggesellschaften selbst haben bewiesen, dass selbst mehrfache
und deutliche Preiserhöhungen (z. B. wegen höherer Kerosinpreisen)
zu keinerlei Absatzrückgängen geführt haben.
Beide Argumente – Arbeitsplätze und Wettbewerbsnachteile
– hat auch das Erörterungsverfahren zum in Frankfurt
geplanten Ausbau fundiert widerlegt.
Wir bitten Sie dafür einzutreten und entsprechend abzustimmen:
1. Der Vorrang für aktive Schallschutzmaßnahmen muss
gesetzlich festgelegt werden.
2. Die Grenzwerte müssen abgesenkt werden.
3. Die Lärmwerte dürfen nicht bindend für die Aufsichts-
und Genehmigungsbehörden sein; vielmehr müssen flughafenbezogene
Lärmschutzkonzepte auch weiterhin möglich sein.
4. Die Grenzwerte sind nach der 100 zu 100-Regelung zu bestimmen.
(Auch eine Grenzwertüberschreitung an „nur“ jedem
dritten Tag ist eine Gesundheitsschädigung),
5. Die Belastungen durch Einzelschallereignisse dürfen nicht
durch Mittelungswerte klein gerechnet werden, konkrete Messergebnisse
müssen anstelle realitätsferner und manipulierbarer
Berechnungen gelten.
6. Die Nachtruhe muss uneingeschränkt und für die gesetzliche
Nacht von 22 bis 6 Uhr garantiert werden. (Für Frankfurt
ist die so genannte Mediationsnacht von 23 bis 5 Uhr geplant mit
erhöhtem Flugbetrieb in den „Tagesrandstunden“
davor und danach.) Gerade die des höchsten Schutzes bedürftigen
Kinder werden durch Ausnahmen vom Nachtflugverbot („aus
wirtschaftlichen Gründen“ ! wird gefordert) oder Verkürzungen
der Schlafzeiten in ihrer Entwicklung und Gesundheit besonders
geschädigt.
7. Der passive Schallschutz und dafür zu zahlende Kosten
und Entschädigungen müssen sofort wirksam werden und
nicht erst dann, wenn die laufenden und geplanten Flughafen-Erweiterungen
und –Neubauten durchgezogen sind.
8. Alle Bundesbürger müssen gleich behandelt werden.
Die besseren Schutzbedingungen, die für die Anwohner des
Flughafens Zürich in Südwestdeutschland mit der Schweizer
Regierung vertraglich vereinbart wurden, müssen durch Gesetz
auch den Menschen an den deutschen Flughäfen gewährt
werden.
Solche Gesetze, die dem Druck der Wirtschaft so erkennbar nachgeben,
sind nach unser Überzeugung mit ein Grund dafür, dass
immer weniger Bürgerinnen und Bürger noch einen Sinn
darin sehen, sich an Wahlen zu beteiligen. Bei den hessischen
Kommunalwahl im März gingen in Frankfurt nur 40 %, in Offenbach
(minus 9 %!), gar nur 31 % noch wählen. Offenbach leidet
besonders unter Fluglärm und dort hatte der Erörterungstermin
zum Planfeststellungsverfahren für den Ausbau des Frankfurter
Flughafens gerade gezeigt, dass künftig noch mehr Fluglärm
staatlich sanktioniert werden soll.
Wir bitten Sie eindringlich, das Gesetz in der vorliegenden Fassung
abzulehnen.
Mit freundlichen Grüßen
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