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[September 2005]

Redebeitrag von Nick Timm zum Thema Arbeitsplatz-prognosen der Fraport beim Erörterungstermin in Offenbach

Mein Name ist Timm. Ich wohne in Neu-Isenburg unmittelbar unter der Einflugschneise. Ich möchte mich äußern zu den Arbeitsplatzprognosen der Fraport und zu der Art wie Fraport mit Zahlen umgeht.

100.000 Arbeitsplätze sollen entstehen. Fraport, und vorne weg Herr Bender, werden nicht müde dies in die Öffentlichkeit zu tragen. Diese Zahl ist inzwischen verankert und wird von den Meinungsbildnern aus Politik und Wirtschaft übernommen. Die von Arbeitslosigkeit bedrohte Öffentlichkeit nimmt diese Aussage dankbar auf. Wer es wagt, diese von Fraport aufgestellten Prognosen anzuzweifeln wird ausgegrenzt. Er ist entweder ideologisch verbohrt oder versteht nichts von Wirtschaft oder will diesen Segen einfach nicht wahrhaben, weil er gegen den Flughafenausbau ist.

Es handelt sich hierbei wohlgemerkt um Prognosen. Sie sind für Fraport ohne Risiko. Denn garantiert wird gar nichts. Treffen die Vorraussagen nicht ein, drohen für das Unternehmen auch keine Nachteile, etwa Konventionalstrafen. Und da es sich um Berechnungen indirekter, induzierter und katalytischer Effekte handelt, ist der Beweis dass sie nicht entstehen zunächst auch nur sehr schwer zu erbringen. Und wenn sich dann herausstellt, dass die Effekte nicht eingetroffen sind, hat man längst vollendete Tatsachen geschaffen.

Woher kommen diese Zahlen? Diese Prognosen stammen im Wesentlichen aus den Untersuchungen der Gutachterteams um die Professoren Rürup und Baum.

Das Gutachten über „Einkommens- und Beschäftigungseffekte des Flughafen Rhein-Main“ durch das Team um Prof. Rürup beziffert den Beschäftigungszuwachs zwischen ca. 40 bis 60.000 AP, je nachdem, in welche Version der Gutachten in den verschiedenen Genehmigungsstufen Mediation, ROV, PFV man schaut.

Herr Baum errechnet in seinen Standortanalysen über 50.000 katalytisch bedingte neue AP, allein aufgrund der Tatsache, dass sich durch den Ausbau neue Unternehmen ansiedeln. Addiert ergeben diese Zahlen die 100.000 AP mit der wir hier angeblich beglückt werden.

Abgesehen davon, dass die seinerzeit im Rahmen der Mediation zugrunde gelegten Prognosen über die Entwicklungen von Wirtschaft und Luftverkehr längst überholt sind, - hier wird von anderer Seite noch im Einzelnen darauf eingegangen – sind die Hochrechnungen im Falle der der Beschäftigungszuwächse völlig überzogen und im Falle der katalytischen Effekte absolut falsch.

Die indirekten und induzierten AP resultieren nach den Berechnungen unmit-telbar aus den direkten Beschäftigungseffekten, in dem diese mit einem Faktor multipliziert werden. Die Höhe dieses Multiplikators ist unter Fachleuten umstritten und wird sehr unterschiedlich ausgelegt. Er liegt zwischen 0,4 und 4.
Es wird außerdem wird eine Korrelation unterstellt zwischen Zuwachs an Flugpassagieren und Beschäftigten. Dieser lag zum Zeitpunkt der Mediation bei 1.400 pro 1 Mio Passagiere er liegt heute bei wohlwollender Berechnung bei höchstens 700.
Wenn aber die Ausgangszahlen der direkt am Flughafen Beschäftigten aufgrund der zu hohen Bedarfsprognose und einer fehlerhaften Korrelation zu hoch liegen, werden auch direkten und induzierten AP systematisch überschätzt.

Die Anzahl der Direktbeschäftigten wurde zum Zeitpunkt der Mediation 1998 mit ca. 62.000 beziffert. Die Berechnung basiert auf recht zweifelhafter statistischer Grundlage, auf die ich hier wegen der Kürze der Zeit nicht näher eingehen will, über die aber ausführliches Material vorliegt. Bis zum Jahre 2003 dümpelte die Zahl der Direktbeschäftigten um die 63.000, obwohl sich die die Zahl der Passagiere von seit 1999 von 45,9 Mio. auf 51,1 Mio. also um 5,2 Mio. erhöht hat. Unter Zugrundelegung des Korrelationsfaktors von 1.450 aus der Mediation hätte sich die Zahl der Direktbeschäftigten von 2000 bis jetzt um 7.500 erhöhen müssen. Hat sie aber nicht.

In der Presse ist aber pausenlos von Neueinstellungen die Rede. Fasst man näher nach, handelt es sich unter anderem um Sicherheitskräfte, die aufgrund von EU-Bestimmungen eingestellt werden mussten. Die Fraport Beschäftigungsstatistik ist höchst dubios. Es liegen keinerlei Erkenntnisse darüber vor, ob Teilzeitjobs als voller Arbeitsplatz gerechnet werden. Oder ob ein Beschäftigter mit zwei Teilzeitjobs als ein oder als zwei AP gerechnet wird.

Pünktlich zum Erörterungstermin taucht per PM der Fraport vom 9. September 05 eine neue Arbeitsstättenerhebung auf, die nachweisen soll, dass die Zahl der Direktbeschäftigten nunmehr auf 68.000 angestiegen sei. Auch diese Zahl liegt immer noch unter dem Soll der Mediation. Diese PM ist natürlich vollmundig verbrämt mit dem üblichen Vokabular der Jobmaschine und der Aussicht auf die berühmten 100.000 AP.
Die Zahl der 68.000 setzt sich laut PM aus den Beschäftigten von 526 Unternehmen zusammen
35.550 Beschäftigte bei hier ansässigen Fluglinien
16.600 Beschäftigten der Fraport
10.650 Beschäftigten anderer Unternehmen
Addiert man diese Zahlen kommt man auf 62.800 Beschäftigte und nicht auf 68.000, was der Realität deutlich näher kommen dürfte. Aber auch die höhere Zahl liegt deutlich unter Soll.

Und nun wundert man sich, wo denn nun plötzlich diese Untersuchung herkommt. Das RDF, das übliche Sprachrohr solcher Untersuchungen weiß nichts davon, es gibt keinerlei Hinweise auf Studienansatz oder Institut. Und dann erfährt man auf nähere Anfrage durch einen amtlichen Statistiker aus einer Anrainerkommune bei der Marktforschungsabteilung der Fraport – sozu sagen von Kollege zu Kollege -, dass diese Zahlen intern bei Fraport errechnet worden seien. Und dass es überhaupt keine in Auftrag gegebene Untersuchung gäbe.

Über die Höhe der tatsächlichen Effekte mögen sich Kompetentere streiten, aber unbestritten ist, dass die errechnete Beschäftigtenzahl der direkten, indirekten und induzierten Effekte völlig überzogen ist.

Über die qualitativen Aspekte vieler Jobs am Flughafen, deren Entlohnung, dem Problem des Auslagerns in außertariflich entlohnende Vertragunternehmen, über die von LH geforderten Einsparmaßnahmen, die sich vor allem im Arbeitsbereich auswirken will ich hier auch nicht reden.
Nun noch ein Wort zu den katalytischen Effekten, also den Effekten, die entstehen, weil Unternehmen sich wegen des ausgebauten Flughafens hier ansiedeln sollen. Ob solche Effekte überhaupt bestehen oder nachweisbar sind, ist in der Fachwelt höchst umstritten. Das Gutachten W3 „Rheinisch-Westfälisches-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen“ aus der Mediation kommt zu dem vernichtenden Urteil: „Eine Hypothese, dass der Arbeitsmarkt in Relation zur Größe eines Flughafens positiv beeinflusst wird, lässt sich nicht bestätigen. Ein Einfluss einer Flughafeninfrastruktur auf den Arbeitsmarkt ist statistisch nicht nachweisbar“. Dieses für Fraport negative Gutachten wurde daraufhin aus dem Verkehr gezogen und nie mehr erwähnt. Und erst im PFV tauchten dann plötzlich mit dem Gutachte 19.2 von Herrn Baum die katalytischen Effekte wieder auf, die bis dahin keine Rolle spielten.

Abgesehen davon, dass ich nicht einzusehen vermag, warum ein Unternehmen nach einem Ausbau eines jetzt schon internationalen Weltflughafens noch zusätzliche Anreize zu einer Ansiedlung ziehen sollte, erhebt sich die Frage ob nicht umgekehrt ein Stiefel draus wird. Man hat während der sämtlichen Stufen des Verfahrens, beginnend mit der Mediation, dem ROV und dem PFV versäumt, die negativen Auswirkungen des zunehmenden Flugverkehrs auf die weichen Standortfaktoren zu untersuchen. Unberücksichtigt bleibt, wie viele Unternehmen durch Lärm Schadstoffbelastungen, Verlust und Lebensqualität im Falle eines Ausbaus sich hier nicht ansiedeln oder sogar wegziehen.

Auch hierzu wird es sicherlich noch eine Reihe von Kommentaren aus berufenerem Munde geben. Für mich ist jedenfalls klar, dass der Umgang der Fraport mit Statistik höchst zweifelhaft ist.

Die von Fraport propagierte Jobmaschine entpuppt sich bei näherer Betrachtung als ein Popanz, deren völlig überschätzte positive Effekte in keinem Verhältnis zum Schaden für die Region steht.

Man kann nur dringend anraten, diese versprochenen Effekte neutral und objektiv zu prüfen. Dies ist umso dringlicher vor dem Hintergrund der bereits erwähnten veränderten Ausgangsprämissen.

Die zur Finanzierung dieses Projektes anstehenden Finanzmittel von 3,4 Mrd. Euro kommen durch die Besitzverhältnisse an den Fraportanteilen zu einem bedeutenden Teil aus öffentlicher Hand.

Der Flughafen ist sicher ein bedeutender Wirtschaftsfaktor dieser Region. Ob man aber angesichts der schwächelnden Luftverkehrsbranche, - vier der weltgrößten Airlines fliegen unter Chapter 11, die LH- Aktie hat am Börsenaufschwung nicht teilgenommen – einer drohenden Monostruktur Vorschub leisten sollte, erscheint mir höchst bedenklich.

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Bündnis der Bürgerinitiativen Kein Flughafenausbau - Für ein Nachtflugverbot
Verantwortlich: Winfried Heuser, Frankfurt/Main, Sprecher des Bündnisses