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Frankfurt, 15. April 2010

Letzter Verhandlungstag im Prozeß gegen das "Eichhörnchen" Cécile

Es ist nach 21 Uhr am dritten Prozesstag gegen Cecile Lecomte. Im Frankfurter Gerichtszentrum gehen die letzten Lichter aus. Nur der Schwurgerichtssaal 146 ist noch hell erleuchtet. Gut von unten zu erkennen: Eine Kindergeburtstags- Papiersonne. (Dazu später mehr) Dann ist auch dort Feierabend, die BFE-Eliteeinheit rückt ab, ein Auto mit Zivilpolizisten kurvt noch ein paar mal um die Ecke. 

Jetzt sind wir, ein Häufchen AusbaugegnerInnen, allein. Könnten hier anstellen was wir wollen - wenn wir wollten. Wir wollen auch heim. Die sogannte "Volksküche", bestehend aus Gasbrenner mit Suppentopf und einem Infostand muss noch aufgeladen und dann per S-Bahn und Fussmarsch zur Mahnwache gebracht werden. Mit Kreide  steht auf der Strasse geschrieben: Gerichte sind zum Essen da.

Mit dem Aufbau des Info-Punkts an der Gerichtsstrasse hatte der Tag für uns begonnen - und mit einer kleinen Aktion. Ziel war es, viele Flugblätter unter die Passanten zu bringen. Das geht nur, wenn wir Interesse erzeugen. Vor der Staatsanwaltschaft, die an unserem Hiersein nicht ganz unbeteiligt ist, stehen drei Fahnenmasten. Ehe die Polizei hinguckt, sind sie erklommen und ein Transparent "HALLO StaatsanWALDschaft !" ist aufgespannt. Die Passanten auf der belebten hinteren Zeil bleiben stehen, gucken -und nehmen neugierig die Flugis.

Mittel unserer Prozessstrategie ist es, den Prozess aus dem Gericht heraus und den Protest in das Gericht hinein zu tragen. Unser Ziel ist es,dass sich das Gericht und Öffentlichkeit mit Grundsätzlichem auseinandersetzen. Oder zumindest mit der Frage: Darf "die" das, im Hauptbahnhof herumklettern und einen Harvester besteigen, und wenn ja, warum ? Liegt hier eine Straftat vor oder doch eine letztlich dem öffentlichen Wohl dienende Meinungsäusserung?

Cecile meint: Letzteres. Dies versucht sie mit über einem Dutzend Beweisanträgen zu untermauern. Das zieht sich. Am Abend schlägt endlich die Stunde des Staatsanwalts: Beweisanträge nichtig, Anklage bestätigt -ausser dem Widerstandsvorwurf, wo er eine Einstellung befürworte. Spannender wäre doch, dass die Angeklagte mit "rechtfertigendem Notstand" argumentiere. Das hätte sie aber doch am zweiten Prozesstag diskutieren sollen. Im übrigen greife das hier überhaupt nicht. Dabei geht er auf Ceciles -hier sehr differenzierte- Betrachtungsweise überhaupt nicht ein. Aber auf die Papierschlange, die vom Publikum aus über die Trennscheibe fliegt und raschelnd vor seinem Podest landet: "Antrag auf Saalverweis gegen Person XY wegen Werfens einer Papierschlange". Obwohl rethorisch hochbegabt,bleibt sein Pladoyer überraschend schwach. 

Nicht nur Kinderballons, Konfetti und Luftschlangen gibt es im Saal. Da ist die grosse Kindergeburtstagsdeko- Papiersonne - kunstvoll an die Decke drapiert. So, dass  ein Justizwachtmeister sie kaum herunterbekäme. Jedenfalls nicht, ohne zu klettern und sich der Lächerlichkeit preiszugeben. Der Staatsanwalt schaut unter der Sonne hindurch.

Es wird mit harten Bandagen gerungen in diesem Prozess. Etwa mit den Clowneskereien - immer haarscharf an der Grenze, eigene und fremde Würde zu verletzen. Hintergrund dieser Aktionen ist es zu zeigen, dass die Würde des Gerichts, die auf seiner Unabhängigkeit füsste,nicht einfach so respektiert wird. Konkret geht es hier um eine Äusserung von Richter Henrici: "Ich bin nicht zum Kindergärtner ausgebildet". Alle Eltern wissen: In Kindergärten geht es arg zu. Aber Kindergeburtstage sind noch einmal eine nervenzersägende Steigerung.

Ceciles Anwalt kennt die "Mitmach-Nachmittage" der "offensiven Prozessführung" nur zur Genüge.Seine Strategie ist eine ganz andere: Er möchte der Anklage ihre Substanz entziehen, auf dass sie abhebe wie ein Luftballon. Klettern im Hauptbahnhof- wo steht, dass dies verboten ist ? Dürfen DB Station und Service und Fraport überhaupt Strafantrag stellen, wo doch die Liegenschaften der DB AG und der Stadt Kelsterbach gehören ? Wie soll ein Harvesterfahrer genötigt werden, der gerade in der Schäferhütte sein Butterbrot verzehrt ?  

Cecile argumentiert, radikaler gewaltfreier Protest sei notwendig, um Fehlentwicklungen zu verhindern. Wenn die Gerichte Widerstand kriminalisierten, betrieben sie das Geschäft von Fraport und Atomlobby. Unter dem einschüchternden Brimborium des Gerichts leidet sie wie ein Wildvogel in der Voliere.
Wenn Cecile redet, bleibt Richter Henrici äusserlich ganz ruhig. Er erinnert an den Physiklehrer aus der Schulzeit, den netteren, aber auch  konsequenteren unter den Physiklehrern. Wenn er spricht, macht er deutlich, dass er Verallgemeinerungen und Fundamentalismus nicht leiden kann. Cecile attestiert er einen "Hang zum Messianismus" und "einseitige Toleranz". Aber auch, dass sie stringent gewaltfrei agiert. Er wirft ihr vor, sie sei der geistige Kopf hinter dem intolerablen Verhalten des Publikums.

Eine Verfahrenseinstellung ist hier nicht zu erwarten. Aber auch nicht unbedingt das Zartbitter-Urteil, dem ein gewisses Kalkül nicht abzusprechen ist: 15 Tagessätze a`8 Euro. Das klingt superwenig - lumpige 120 Euro. Aber dahinter verbirgt sich die Verurteilung wegen vier Straftatbeständen - auch wegen dem frühstückenden Holzfäller. Geld hat Cecile nicht,mit der Geldstrafenbemessung über das Einkommen ist sie nicht zu treffen. Das im Tagessatz niedrige Urteil bedeutet aber, dass Cecile wegen "Bagatellverurteilung" nur schwerlich Berufung einlegen kann. Gleichzeitig werden ihr die Prozesskosten auferlegt - ein mehrtägiges Verfahren mit zahlreichen Belastungszeugen, teilweise von der Staatsanwaltschaft direkt geladen. Ein Bagatellverfahren ?

Fotos und Bericht: Peter Illert

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