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Kurzfassung der Verfassungsbeschwerde:

Abschiebeprotest im Frankfurter Flughafen Verfassungsbeschwerde

Nachdem der Bundesgerichtshof im Januar 2006 in dritter und letzter Instanz des fachgerichtlichen Rechtszuges das von der Fraport AG im März 2003 gegen Julia Kümmel (Aktionsbündnis gegen Abschiebungen Rhein-Main) ausgesprochene Hausverbot als rechtmäßig bestätigt hat, hat Julia Kümmel am 15. März 2006 Verfassungsbeschwerde eingelegt. Als Prozessbevollmächtigte fungieren neben dem Frankfurter Verfassungsrechtler Prof. Dr. Dr. Günter Frankenberg der ebenfalls an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt lehrende Zivilrechtler Prof. Dr. Gunther Teubner.

Die Verfassungsbeschwerde, die sich gegen alle drei vorangegangenen Urteile sowie gegen das Hausverbot und die entsprechende Vorschrift der Flughafenbenutzungsordnung richtet, rügt die Verletzung der Grundrechte der Meinungsfreiheit, der Versammlungsfreiheit, des Rechtes auf allgemeine Handlungsfreiheit und einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz.

Bezogen auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung wird zunächst betont, dass essentieller Bestandteil des Schutzbereichs auch das Recht ist, über Ort und Form einer Meinungsäußerung frei zu entscheiden. Gerade dies wird aber durch das in den Urteilen implizit aufgestellte Erfordernis, vor jeder Meinungsäußerung auf dem Flughafengelände die autoritative Genehmigung der Fraport AG einzuholen, unterlaufen. Vergegenwärtigt man sich die gängige Praxis der nunmehr mit einer unbeschränkten Genehmigungsbefugnis versehenen Fraport AG, wird deutlich, dass als zwingende Konsequenz der fachgerichtlichen Urteile ein Grundrechtsgebrauch auf dem Gelände des Flughafens unmöglich gemacht worden ist. Darüber hinaus läuft jede mit einem Hausverbot belegte Person Gefahr, bei einer nicht zuvor genehmigten Meinungskundgabe mit einem Strafverfahren wegen Hausfriedensbruchs (§ 123 StGB) rechnen zu müssen. Im Ergebnis konstituieren die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Gerichtsentscheidungen damit nicht weniger als ein Flughafenbetretungsverbot, das Zuwiderhandlungen mit Strafe bedroht.

Mit der sowohl vom Bundesverfassungsgericht als auch dem Europäischen Gerichtshof in mehreren Entscheidungen ausdrücklich hervorgehobenen besonderen Bedeutung der Meinungsfreiheit, die für eine freiheitliche Demokratie konstitutive Bedeutung hat, ist ein solches Verbot unvereinbar. Versucht man, die vorliegend kollidierenden Grundrechte, einerseits das verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht der Fraport AG und andererseits das Grundrecht auf Meinungsfreiheit der AbschiebungsgegnerInnen, gegeneinander abzuwägen, ergibt sich ein Vorrang der Meinungsfreiheit. Die Vorinstanzen haben nicht nur die Bedeutung der Meinungsfreiheit verkannt, sondern daneben auch die Frage der Grundrechtsbindung der Fraport AG, deren Aktien sich mehrheitlich in öffentlicher Hand befinden, unzureichend behandelt und infolgedessen eine unmittelbare Bindung der Fraport AG an die Grundrechte der Verfassung verneint bzw. – im Falle des BGH – dahinstehen lassen. Gerade diese Frage aber, ob und in welchem Umfang sog. gemischt-wirtschaftliche Unternehmen, an denen die öffentliche Hand die Mehrheit besitzt, an Grundrechte gebunden sind, ist unter Berücksichtigung der zunehmenden Privatisierung von ehemals öffentlichen Aufgaben und Räumen und der damit einhergehenden Restriktionen des Grundrechtsgebrauchs von entscheidender Bedeutung.

Unabhängig davon, ob man bezogen auf die Fraport AG auf die insoweit eindeutigen Beteiligungsverhältnisse oder darauf abstellt, dass sie öffentliche Infrastrukturleistungen in privatrechtlicher Form zur Verfügung stellt, besteht jedenfalls eine unmittelbare Grundrechtsbindung. Die öffentliche Hand kann sich nicht über einen bloßen Wandel der Organisationsform, d.h. die plötzlich privatrechtliche Gestalt ehemals öffentlicher Aufgabenerfüllung, ihren sich aus der Verfassung ergebenden Grundrechtsbindungen entziehen. Dies muss, wie auch ein Blick auf die Rechtsprechung des amerikanischen Supreme Court bestätigt, insbesondere dann gelten, wenn durch private Rechtsakteure wie die Fraport AG Gefährdungslagen für grundrechtlich geschützte Autonomiebereiche generiert werden, die denjenigen Gefährdungslagen strukturanalog sind, gegen die die Grundrechte in ihrer staatsgerichteten Abwehrfunktion ursprünglich konzipiert wurden.

Die Fraport AG, die grundrechtlich geschützte Öffentlichkeitsräume verwaltet, kann eben nicht, wie die vorinstanzlichen Urteile behaupten, nahezu frei darüber disponieren, wem sie den Zutritt zu ihren Anlagen gestatten oder versagen will. Dadurch, dass die Vorinstanzen die Frage der unmittelbaren Bindung der Fraport AG an die Grundrechte negativ beantworten bzw. wegen vermeintlicher Irrelevanz dahinstehen lassen, treten sie in eine vorzunehmende Abwägung der kollidierenden Interessen zwangsläufig mit einer schon vor der Abwägung abgewerteten Grundrechtsverpflichtung der Fraport AG und damit einer abgewerteten Grundrechtsberechtigung Dritter ein. Aber selbst wenn man nur von einer mittelbaren Grundrechtsbindung ausgeht, d.h. die Grundrechte im Verkehr zwischen zwei Privaten nur über die offen formulierten Normen des Privatrechts, die sog. Generalklauseln, gelten lassen will, kommt man zu keinem anderen Ergebnis. Schon sehr früh hat das Bundesverfassungsgericht klar gestellt, dass gerade die Meinungsfreiheit auch im Privatrechtsverkehr zu beachten ist und daher beispielsweise ein Boykottaufruf gegen die Vorführung eines antisemitischen Filmes verfassungsrechtlich geschützt ist. Auch privatrechtliches Verhalten ist unter dem Grundgesetz grundrechtsdurchformtes Verhalten.

Schließlich stellten alle drei vorinstanzlichen Urteile auf das Kriterium einer vermeintlich intendierten (nicht einmal erzielten und im Übrigen auch gar nicht genau definierten) „Betriebsstörung“ ab und haben dadurch das Gewicht der Meinungsfreiheit für kommunikative Auseinandersetzungen schlicht verkannt. Anders als von den Vorinstanzen angenommen, war eine Störung des Betriebsablaufs nicht nur zu keinem Zeitpunkt intendiert, sondern ist vor allem auch zu keinem Zeitpunkt tatsächlich eingetreten. Aber selbst wenn eine solche Störung eingetreten wäre, würde dies allein noch nicht ausreichen, das Grundrecht auf Meinungsfreiheit unmittelbar zurücktreten zu lassen. Denn aufgrund der gebotenen Akzentuierung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit können nur konkrete Beeinträchtigungen für kollidierende Rechtsgüter Eingriffe in das Grundrecht rechtfertigen. Bloße Imageprobleme, Darstellungsinteressen, ökonomische Interessen oder Präsentationsdesiderate reicher daher nicht aus, damit Private sich gegenüber grundrechtlich geschütztem Verhalten anderer Privater durchsetzen können.

Es ist bezeichnend, dass an dieser Stelle insbesondere das Urteil des BGH im Konjunktiv verbleibt und versucht, eine Intentionszuschreibung und damit eine Störung über einen Vorfall zu begründen, der zum einen mit dem eigentlich zur Entscheidung vorgelegten Fall weder räumlich noch zeitlich in Zusammenhang stand und der zum anderen – wie alle erörterten Aktionen - auch gar nicht geeignet ist, eine Störungsintention anzunehmen. Dies verletzt nicht nur den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsatz, dass von mehren möglichen Interpretationen einer Meinungskundgabe nicht diejenige willkürlich herausgegriffen werden darf, die für den sich Äußernden am nachteiligsten ist, sondern verkennt auch die Kontextgebundenheit kommunikativen Auseinandersetzungen.

Berücksichtigt man schließlich die nicht-spezifizierte Öffnung des Flughafens für die Allgemeinheit und die damit verbundenen kommunikativen Funktionen des Raumes, die die Fraport AG selbst geradezu wünscht, spricht sie doch im Hinblick auf den Flughafen von einer „Erlebniswelt“ mit Einkaufs-, Gastronomie- und Serviceangeboten, und stellt darüber hinaus noch die Tatsache in Rechnung, dass zwischen den Meinungsäußerungen der AbschiebungsgegnerInnen und der von der Fraport AG bewirtschafteten Örtlichkeit ein innerer Zusammenhang besteht, so wird deutlich, dass der Umfang der grundrechtlich gebotenen Duldungspflicht der Fraport AG weit größer ist, als die angegriffenen Entscheidungen annehmen. Räumt man der Meinungsfreiheit die Bedeutung ein, die ihr nach verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung zukommt, muss die Fraport AG auf ihrem Gelände die Ausübung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit in Form des Verteilens von Flugblättern und des Informierens von Personal und Reisenden dulden, ohne dies von einer autoritativ zu erteilenden Erlaubnis abhängig machen zu können. Abflughalle und Flughafenerlebniswelt sind keine grundrechtsfreien Räume. Gerade aufgrund der Nähe zur inkriminierten gesellschaftlichen Praxis des Abschiebens von Flüchtlingen gebietet das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, seine diesbezügliche Meinung genau an diesem Ort kundtun zu können.

Darüber hinaus verletzten die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Urteile das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Ebenso wie bei der Meinungsfreiheit gehört auch hier grundsätzlich zum Schutzbereich des Grundrechts, dass der Grundrechtsberechtigte die Versammlung an dem Ort abhalten kann, an dem ein innerer Zusammenhang mit dem Thema der Versammlung gegeben ist.

Ein uneingeschränktes Recht, fremdes Grundeigentum, das in Privateigentum steht, nach Belieben in Anspruch zu nehmen, vermittelt aber auch die Versammlungsfreiheit nicht. Stellen private Eigentümer - wie die Fraport AG - die betreffende Örtlichkeit bzw. Fläche jedoch regelmäßig der Öffentlichkeit als Flanier- und Konsummeile zur Verfügung, kann das Grundrecht der Versammlungsfreiheit eine Pflicht zur Überlassung der Örtlichkeit bzw. Fläche bedeuten. Mit anderen Worten können sich aus der Öffnung eines Raumes Duldungspflichten ergeben, gegen die ein pauschaler und rechtsverhindernd wirken könnender Hinweis auf „Betriebsstörung“ nicht geltend gemacht werden kann. Diesbezüglich ist der berechtigte Privateigentümer verpflichtet, die verfassungsrechtlich geschützten Interessen Dritter bei seiner Entscheidung einzubeziehen und angemessen zu berücksichtigen. Wird eine solche Abwägung unterlassen, beispielsweise indem der Privateigentümer ohne Prüfung des Einzelfalles pauschal auf Störungen seines Betriebes abstellt, wird er der Bedeutung, die dem Grundrecht der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit im demokratischen Staat nach der Verfassung zukommt, nicht gerecht. Dies ist ebenfalls Ausdruck dafür, dass die grundrechtliche Durchformung der Rechtsordnung nicht im öffentlichen Sachenrecht endet, sondern vielmehr auch die Privatrechtsordnung erfasst.

Das von der Fraport AG aufgestellte und von den gerichtlichen Entscheidungen als rechtmäßig bestätigte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt führt darüber hinaus dazu, dass Spontanversammlungen, die als zeitnahe Reaktion auf einzelne Abschiebungsereignisse keine untypische Aktionsform darstellen und die ebenfalls dem Schutzbereich der Versammlungsfreiheit unterfallen, unmöglich gemacht werden. Die Berechtigung des Grundrechtsträgers, sich auf die Versammlungsfreiheit zu berufen, wäre nur dann ausgeschlossen, wenn die durchgeführte Versammlung einen unfriedlichen Verlauf nimmt. Jedoch kam es bei keiner einzigen Versammlung, die von den AbschiebungsgegnerInnen auf dem Gelände der Fraport AG abgehalten wurde, zu Gewalttätigkeiten durch die die Gesundheit oder das Eigentum anderer Personen auch nur gefährdet, geschweige denn verletzt wurde. Dass es aufgrund einer Versammlung zu Verdrängungen, Behinderungen oder Verzögerungen kommt, reicht aber gerade nicht aus, da es sich insoweit um hinzunehmende sozialadäquate Nebenfolgen handelt.

Ist der Schutzbereich einmal eröffnet, d.h. fällt das Verhalten unter den Begriff der Versammlung im Sinne des Grundrechts, dann sind Einschränkungen bei Versammlungen in geschlossenen Räumen nur dann gerechtfertigt, wenn kollidierender Grundrechte betroffen sind und diese gegenüber dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit Vorrang genießen. Da auch dies vorliegend nicht der Fall war, verletzen die das Hausverbot bestätigenden Urteile neben der Meinungsfreiheit auch das Grundrecht der Versammlungsfreiheit. Schließlich bedeutet ein generelles strafbewehrtes Verbot mit Erlaubnisvorbehalt darüber hinaus einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlich abgesicherten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da mildere Maßnahmen wie die Anmeldung der Demonstration, Differenzierungen nach der Teilnehmerzahl oder die Ausweisung von begrenzten Verbotszonen innerhalb der Flugverkehrs- und Erlebniswelten zur Verfügung stehen.

Die angegriffenen Entscheidungen verletzen des Weiteren den allgemeinen Gleichheitssatz, weil eine Ungleichbehandlung von auf dem Flughafengelände aktiven AbschiebungsgegnerInnen und anderen Benutzern und Benutzerinnen des Flughafengeländes eines sachlichen Grundes entbehrt. Ersteren gegenüber wird von der Fraport AG nur deshalb ein Hausverbot ausgesprochen, weil diese eine vom Flughafen ausgehende gesellschaftliche Praxis zu politisieren trachten. Auch hierbei handelt es sich aber um ein sozialadäquates Verhalten, das sich im Rahmen der Nutzungseröffnung bewegt.

Bezüglich solcher Verhaltensweisen, die nicht unter eines der spezielleren Grundrechte der Meinungsfreiheit oder der Versammlungsfreiheit fallen, ist schließlich auch das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit verletzt. Mittels des Hausverbotes wird insofern sozialadäquates Verhalten tendenziell kriminalisiert, weil sich die mit einem solchen Verbot belegten Personen bei jedem Besuch des Flughafens unabhängig von dem jeweils verfolgten Zweck dem Verdacht eines strafrechtlich sanktionierten Hausfriedensbruchs aussetzen. Dadurch bewirkt die Fraport AG bewusst, dass unliebsame Personen eingeschüchtert und vom Flughafengelände ferngehalten werden. Da das von der Fraport AG inkriminierte Verhalten der Form nach dem Verhalten eines jeden Besuchers der Flugverkehrs- und Erlebniswelt entspricht, sind berechtigte von unberechtigten Nutzungen in der Lesart der Fraport AG äußerlich zunächst ununterscheidbar.

Dass die Fraport AG ihr Hausverbot nachträglich auf „unberechtigte" Nutzungen begrenzt und damit die Verhaltensmöglichkeiten der von einem Hausverbot Betroffenen erweitert hat, ändert an der Grundrechtsverletzung nichts. Denn mit dieser Entscheidungslage wird ein Generalverdacht aufgestellt, der das für freiheitliche Demokratien charakteristische Regel-Ausnahme-Verhältnis dergestalt umkehrt, dass die mit einem Hausverbot belegten Personen bei jedem Betreten des Flughafens unter einen Rechtfertigungszwang gestellt werden, der auch jenseits von Meinungsäußerungen und Versammlungen ihr Grundrecht auf Handlungsfreiheit nachhaltig einschränkt.

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