Impressum Home Kontakt
  Worum geht's?  
  Darum geht's
Fakten + Argumente
Rückblick
 
  Aktuell  
  News
Termine
Presse
- BBI
- BUND
- Lesetipps
Links
Archiv
 
  Machen Sie mit!  
  Über Uns
Unsere Ziele
BI vor Ort
BI aktiv
Rechts-Institut
BI-Info
Resolutionen
Infomaterial
 
     
     
     
 

 

„Kenn ich noch von 1968“ – Stuttgarter Landtag untersucht verunglückten Schlossgarteneinsatz

Vom November 2010 bis Januar 2011 befaßte sich in Stuttgart ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß mit der Vorgeschichte und dem Verlauf des „Schwarzen Donnerstag“, dem Polizeieinsatz im Stuttgarter Schloßgarten. Im Kern ging es um die Frage, ob das Verhalten der Polizei durch die Politiker beeinflußt oder bestimmt worden sein könnte. Spektakuläre Ergebnisse hat der Ausschuß nicht gebracht, dafür aber tiefe Einblicke, mit welch eingeschränkter Logik „innere Führung“ in Politik und Polizei funktioniert.

Eigentlich war der Einsatz auf Donnerstag 15 Uhr angesetzt. Aber es gab eine undichte Stelle – vermutlich bei der Polizei – so daß der Termin am Vortag auf den Internet-Seiten der „Parkschützer“ veröffentlicht wurde. Innenministerium und Polizeiführung entschieden sich auf einer Krisensitzung, den Termin auf 10 Uhr vorzuverlegen. Dies würde aber nur mit kurzfristiger Amtshilfe gelingen. Hessen sage eine vorzeitige Gestellung von Beamten zu, ebenso die Bundespolizei. Diese flog noch am Mittwoch Abend eine Einheit per Hubschrauber über den amerikanischen Teil des Stuttgarter Flughafens ein.

Verschiedene Pannen führten dann dazu, daß zum Zeitpunkt des Zugriffs weniger als 150 Polizisten verfügbar waren – einige Einheiten hatten sich verfahren, auch gab es Probleme beim Zusammenstellen von Konvois. Andere weilten – die Hausherren hatten Angst – zum Schutz des Bahnhofs und des Landtags fernab des Geschehnes. Wegen der Aufmerksamkeit der Parkbesetzer verpuffte der anvisierte Überraschungseffekt, das Gelände mittels Beamter in Zivil im Handstreich zu nehmen. Als Fehler erwies sich die Taktik, die Absperrgitter in einem Konvoi aus nördlicher Richtung heranzuführen, da dieser bereits fern des Zielpunktes festgesetzt wurde. Eine Beobachterin mit Polizeihintergrund wunderte sich denn auch über die Realitätsferne des Stuttgarter Polizeipräsidenten Stumpf, der davon ausging, daß die Schülerdemo brav auf ihren angemeldeten Zugweg bleiben würde und erst zur Abschlusskundgebung um 12 Uhr in den Park käme: „Das kommt davon, wenn keine Frauen im Einsatzstab sitzen. Die haben die emotionale Schiene schlicht unterschätzt.“

Offenbar galt dies auch gegenüber den eigenen Beamten, die – ohne Lagebesprechung und vor-Ort-Kommunikation – mit einer Überzahl Schülerdemonstranten und Parkschützern konfrontiert wurden. Sie übertrugen die Bedrohung, mit ihrem Einsatzauftrag zu scheitern, auf eine gefühlte unmittelbare Bedrohung durch die Demonstranten. Die „Verhinderungsblockade“ durch die Freigabe von Zwangsmitteln – Wasserwerfer und Pfefferspray – zu brechen um ihre zahlenmäßige Unterlegenheit auszugleichen, erschien der Polizei legitim.

Eine Aussage am Rande: „ Wir haben die Demonstranten zu sehr „verwöhnt“ – die meinten sie hätten ein Recht darauf, weggetragen zu werden.“

Die vorhandenen Wasserwerfer waren – laut Polizeiführung – dafür vorgesehen, den „Druck von der Gitterlinie zu nehmen“ – und um „Situationen wie in Duisburg“ zu vermeiden, falls abends im fortgeschrittenen Stadium des Einsatzes Menschenmassen gegen die Absperrung gedrückt würden. Warum die Wasserwerfer dann eingesetzt wurden, im „Biergartenbereich“ Einzelne gezielt „abzuschießen“, wusste die Polizei nicht zu begründen. Unwidersprochen bezeichnete ein Rechtsgutachter dieses Vorgehen als „nicht angemessen“.

Sie hätte es sein müssen, aber es ist denkbar, daß der eingekanzelten Wasserwerferbesatzung die Wirkung eines 16-Athmosphären-Druckstrahls – vorher – ebenso wenig bewusst war wie ihren Opfern. Dies gilt – nachher – wohl auch für Innenminister Rech, der Wasserwerfer nicht als Waffe, sondern als harmloses Hilfsmittel eingeschätzt sehen wollte: „Wasserwerfer kenn ich von meinem Studium, damals nach 1968“:

Die Auswirkungen des verkorksten Einsatzes auf die Moral der schwäbischen Polizei war vorübergehend verheerend. Man hätte in den Folgetagen wohl das Gelände stürmen können. Bei einem altgedienten Beamten stellte sich in gewisser Trotz ein: „Jahrzehntelang haben wir den Stuttgarter Besitzbürgern ihr Eigentum beschützt und unsere Köpfe hingehalten – und jetzt kommen die und spucken vor uns aus.“

Relativ schnell wieder Tritt gefasst hat Ministerpräsident Mappus. Nachdem er im September noch ordentlich eingeheizt hatte und Vollzug sehen wollte, schob er im Nachgang die politische Verantwortung für den 30.09.10 der Polizeiführung zu. Eines ist sicher: jetzt kennt ihn jeder. Damit dies auch mit positiven Empfindungen verbunden ist, hat er den Roland-Koch-erprobten PR-Strategen Dirk Metz angeheuert. Der will ihn vom Rambo-Image wegbringen. Beider neues Credo: „Ich will Brücken bauen“. Und sinngemäß: „ Wir haben nicht genug dafür getan, den Bürgern unsere zukunftsgerichtete Politik zu vermitteln.“

Unterdessen dauern in Stuttgart die Proteste an. Die Polizei rüstet weiter auf, beispielsweise mit der neuen Generation Wasserwerfer WaWe 10. In Hessen wird künftig der neue schwere Metall-Teleskop-Schlagstock den Gummiknüppel ersetzen Hoffentlich heißt es nicht irgendwann auch an der Einsatzfront: „Stuttgart ist auch in Frankfurt“.



Fotos und Bericht: Peter Illert
zurück zur Startseite

zurück zur Archivübersicht 2011

 


     


Bündnis der Bürgerinitiativen
Kein Flughafenausbau - Für ein Nachtflugverbot von 22 - 06 Uhr