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01. Juni 2015, Kaisersaal im Frankfurter Römer

Dr. Wolf Singer

Zunächst möchte ich mich bei Herrn Oberbürgermeister Feldmann für die Initiative für diesem Abend bedanken. Bedanken möchte ich mich auch für die Einladung, zu einem Problem Stellung zu nehmen, das nicht nur für die betroffenen Bürger einer Lösung bedarf sondern auch weitreichende Implikationen für das Selbstverständnis von Gemeinwesen hat.

Ich möchte auf einige Sachverhalte hinweisen, die den Zweifel an der These nähren, dass der Großflughafen Frankfurt ideale Voraussetzungen dafür bietet, sich zum Wohle der Region zu einem der größten europäischen Drehkreuze für den Flugverkehr zu entwickeln. Ich werde dabei versuchen, mich so gut ich das vermag, an die von Apel und Habermas formulierten Diskursregeln zu halten, und das nicht nur, weil diese Regeln in Frankfurt formuliert wurden, sondern weil ich davon überzeugt bin, dass lebensweltliche Konflikte nur in einem praktischen Diskurs gelöst werden können, der sich an den Regeln der Diskursethik orientiert. Im einzelnen sind dies:

(N 1): Argumentiere rational.

(N 2): Bemühe dich um einen vernünftigen Konsens.

(N 3): Bemühe dich in allen Fällen, in denen deine Interessen mit denen anderer kollidieren können, um einen vernünftigen praktischen Konsens mit ihnen.

(N 4) Bemühe dich stets darum, zur (langfristigen) Realisierung solcher Verhältnisse beizutragen, die der idealen Kommunikationsgemeinschaft näher kommen, und trage stets Sorge dafür, dass die schon existierenden Bedingungen der möglichen Realisierung einer idealen Kommunikationsgemeinschaft bewahrt werden!

Lassen Sie mich kurz den Status Quo skizzieren – auch wenn viele von Ihnen mit ihm vertraut sind – damit wir eine gemeinsame Diskussionsbasis haben.

Seit der Inbetriebnahme der Nord-West Bahn verfügt der Flughafen Frankfurt über vier Pisten, also mehr als London Heathrow, Charles de Gaule, Amsterdam und München, die wichtigsten Wettbewerber um Drehkreuzfunktionen in Mitteleuropa. Das Besondere in Frankfurt ist, dass zwei Parallelbahnen, die beiden alten, zwar im Prinzip für Starts und Landungen taugen, also im sehr effizienten Reißverschlußverfahren genutzt werden können, jedoch nicht unabhängig betreibbar sind, weil ihr Abstand zu gering ist. Dann haben wir die einst heiß umkämpfte Startbahn West, die wie der Name sagt, nur für Starts verwendbar und bei zu starkem Nordwind nicht benutzbar ist, da die Startrichtung nicht umgekehrt werden kann. Da sie quer zu den beiden alten Bahnen liegt und landende Flugzeuge wegen der Durchstart – Option wie startende Flugzeuge betrachtet werden müssen, bestehen auch hier kapazitätsmindernde Abhängigkeiten. Zudem macht die Durchstartoption für die Nordwesbahn die sogenannte Südumfliegung der auf der Centerbahn nach Westen startenden Maschinen notwendig. Diese müssen kurz nach dem Start nach Süden abbiegen, um eventuell auf der Nordwestbahn durchstartenden Flugzeugen nicht in die Quere zu kommen. Dadurch kreuzen die auf der Centerbahn startenden Flieger die Steigflugtrasse der auf der Südbahn eventuell durchstartenden Maschinen - ein Problem, dass schon mindestens zweimal zu gefährlichen Begegnungen führte und den unabhängigen Betrieb der Bahnen weiter einschränkt. Die neue Nordwestbahn, die vierte Bahn, kann zwar unabhängig von den anderen Bahnen genutzt werden, darf aber nur zum Landen verwendet werden und auch das nur für Flugzeuge die leichter sind als die DC 10, der Airbus 380 und die Boing 747. Wären bei der Berechnung der Landegewichte der verschiedenen Flugzeugtypen die wahren Werte zu Grunde gelegt worden, dürften auch der Airbus 340 und die größeren zweistrahligen Maschinen dort vermutlich nicht landen. Ich komme bei der Besprechung der Wirbelschleppen-Problematik noch einmal darauf zurück.

Diese unorthodoxe Anordnung des Bahnsystems hat zur Konsequenz, dass zum einen die Flugkorridore und damit die Lärmbelastung über ein ungewöhnlich großes Territorium verteilt werden und zum anderen die Effizienz des Bahnsystems gemessen an der Investition in Bahnen weit hinter der von anderen Drehkreuzen zurück bleibt. Zum Vergleich: London Heathrow, das wichtigste Drehkreuz in Nordeuropa, kommt mit zwei Parallelbahnen aus. 2013 zählte Heathrow, das weit außerhalb von London liegt, 72 Millionen Passagiere, Frankfurt nur 58 Millionen.

Warum wurde beim Ausbau von Frankfurt auf die vernünftigste und auf die Dauer auch wirtschaftlichste Lösung verzichtet, zunächst zwei unabhängig nutzbare Parallelbahnen einzurichten, auf denen Maschinen aller Klassen sowohl starten wie landen können –also ein Reißverschlußverfahren angewandt werden kann, wie dies auf allen Flughäfen die ich kenne, zumindest in Spitzenzeiten gewählt wird. Dies hätte leicht ausgereicht, um das bisherige Flugaufkommen zu bewältigen und hätte den Lärmkorridor auf eine relativ enge Trasse beschränkt, vor allem dann, wenn man außerhalb der Spitzenzeiten die nach Süden verlagerte Bahn nur zum Starten verwendet hätte.

Ich kann nur spekulieren, warum diese vernünftige Lösung nicht gewählt wurde. Für diese Lösung hätte die Starbahn West rückgebaut werden müssen, was dem Eingeständnis gleich gekommen wäre, dass diese Bahn eine Fehlplanung war. Da diese Bahn gegen ungeheuren Widerstand mit den bekannten dramatischen Folgen durchgesetzt worden war, erschien es wohl wenig opportun, dieses damalige Vorhaben als Fehler darzustellen.

Und so blieben nur zwei gleichermaßen unbefriedigende Optionen einer vierten Bahn entweder weit im Norden oder im Süden des Flughafens.

Hier hat sich die Landesregierung für die Nord-West Variante entschieden. Dabei wurde, von den Befürwortern dieser Variante die effektive Lärmbelastung auf groteske und unverantwortliche Weise unterschätzt oder klein geredet. Das Entsetzen der Bewohner der neuen Lärmkorridore und objektive Messungen belegen diese Tatsache. Falsch gerechnet wurde auch bei der Beurteilung der Wirbelschleppen: Angesetzt wurde hier für die beiden schwersten Flugzeugtypen, die vor allem für die Wirbelschleppen verantwortlich sind, ein Landegewicht, dass noch unterhalb des Leergewichtes dieser Flugzeuge bei der Auslieferung vom Werk liegt – also ohne Bestuhlung, Reservetreibstoff, Fracht und Passagiere. Bei vergleichbaren Berechnungen am neuen Flughafen in München wurden realistische Berechnungen zu Grunde gelegt. Wären diese in Frankfurt angewandt worden, dürften die schweren zweistrahligen Maschinen auf der Nordwesbahn nicht von Westen her landen, was die Kapazität dieser Bahn weiter verringert hätte. Dass hier falsch gerechnet wurde, beweisen die ernsten Vorfälle, von denen der letzte nur wenige Tage zurück liegt. Die Gerichte wissen um die falschen Berechnungen, haben dies aber hingenommen.

Die neue Nordwestbahn dürfte also eigentlich nur für die kleineren Maschinen zugelassen sein. Dies aber würde ihre Berechtigung in Frage stellen. Für Langstreckenverbindungen werden aus wirtschaftlichen Gründen zunehmend größere Maschinen eingesetzt, die auf der neuen Bahn nicht landen dürften. Die kleinen Maschinen bedienen zum nicht unerheblichen Teil Kurzstrecken, die aus ökologischen und mittlerweile auch aus Gründen der Zeitersparnis zunehmend auf die Schiene verlagert werden sollten.

Vor diesem Hintergrund erscheint die Nordwesbahn in mehrfacher Hinsicht als kostspielige Fehlplanung, selbst wenn man von der Lärmbelastung und der Rodung des Bannwaldes absieht.

Im Folgenden analysiere ich den Ablauf der Inbetriebnahme der Nordwestbahn, weil sich daraus Schlussfolgerungen über das Selbstverständnis der Aktiengesellschaft Fraport ziehen lassen und über deren Bewertung der Kollateralschäden.

Das Flugaufkommen, also die Zahl der Starts und Landungen, ist seit 2007, dem Genehmigungsjahr des Planfeststellungsbeschlusses, bis heute nicht gestiegen, sondern von knapp 493.000 Flugbewegungen auf 469.000 gesunken. Nur die Passagierzahlen haben seit 2007 um 1,5 % pro Jahr zugenommen. Das liegt an dem schon erwähnten Trend zum Einsatz größerer Maschinen. Trotzdem wurde das bewährte Reißverschlußverfahren nach der Fertigstellung der Nordwestbahn sofort aufgegeben und ein Nutzungssystem für die Bahnen eingeführt, dass für den geplanten Endbedarf vorgesehen war. Das bedeutet, dass sofort nach Eröffnung der neuen Bahn etwa 50% aller Landungen auf die neue Bahn verlagert wurden. Hierzu bestand, zumindest bei halbwegs gutem Wetter keine Notwendigkeit. Probleme treten beim bisherigen Flugaufkommen und dem Betrieb der bereits vorhandenen drei Bahnen nur bei sehr widrigem Wetter und bei Windverhältnissen auf, die eine Nutzung der Startbahn West verbieten. Die Nordwestbahn hätte bis heute als Überlaufbahn in Spitzenzeiten und bei schlechtem Wetter genutzt werden können. Diese Option, obgleich möglich und wie mir scheint auch vernünftig, wurde nicht einmal diskutiert. Dies legt nahe, dass die Verantwortlichen keinen Gedanken darauf verschwendeten, wie die bereits erschütterte und empörte Bevölkerung beruhigt oder gar geschützt werden könnte.

Erst als die Montagsdemonstrationen anders als sonst in solchen Fällen nicht abflauten, die Wirbelschleppenskandale eintraten und sich erwies, dass das praktizierte Verfahren der Südumfliegung gefährlich ist, schien eine gewisse Bereitschaft zu keimen, die Folgen das Ausbaus für die betroffene Bevölkerung mit ins Kalkül zu ziehen. Aber bislang erweisen sich die getroffenen Maßnahmen als halbherzig und wenig wirksam. Die Klammern auf den Dächern schützen nicht vor Lärm, die geringfügig steileren Anflugwinkel bleiben für die am schwersten Betroffenen wirkungslos und die abwechselnde Nutzung der Süd –und Nordwestbahn für Landungen in den Randstunden ist Augenwischerei, da sie Lärm verlagert aber nicht reduziert. Das Gleiche gilt für die Rede vom An- und Abschwellen des Verkehrs in den Randstunden - wer um 5.00 früh vom erste Flieger pünktlich geweckt wird, hätte auch vom langsamen Anschwellen, das aber tatsächlich gar nicht der Fall ist, keinen Gewinn. In Wirklichkeit beginnt der erste Ansturm um 5 Uhr früh mit voller Wucht, um dann im Verlaufe des Vormittags etwas zurückzugehen. Das ist eine Pervertierung dessen, was das Bundesverwaltungsgericht vorgegeben hat. Ich werde bei der Darstellung der Umsetzung der Mediationsbeschlüsse noch darauf zurückkommen.

 

Ich möchte mich nun mit einem weiteren, und wie ich meine, besonders fatalen Kollateralschaden des Flughafenausbaues befassen. Es ist dies der dramatische Verlust von Vertrauen in die Wahrhaftigkeit der Politik und den Wert von Versprechen in einer Gesellschaft, die Wortbruch mit Argumenten notwendigen Wirtschaftswachstums rechtfertigt.

Der Bau der Startbahn West wurde mit dem Versprechen durchgesetzt, es sei dies die letzte Stufe der Erweiterung außerhalb des Flughafenareals. Dieses Versprechen wurde gebrochen, ebenso wie das Versprechen, in der Metropolregion keinen Bannwald mehr zu roden. Um diese Versprechen umgehen zu können, wurde ein Mediationsverfahren initiiert, um einen Konsens für den damals für notwendig erachteten weiteren Ausbau zu erreichen. Die Mediatoren habe damals ein Paket von Vereinbarungen verabschiedet, die als Teile des als ,,untrennbar verbundenen Mediationspaketes" gesehen wurden. Im Klartext bedeutet dies: Nur wenn alle Teile des Paketes umgesetzt werden, ist auch jedes der einzelnen Teile als akzeptiert anzusehen. Wird eine Komponente nicht erfüllt, dürfen und müssen auch die anderen in Frage gestellt werden.

Das Ergebnis der Mediation war: Ausbau ja, aber nur unter den Bedingungen des Mediationsergebnisses – und nun zitiere ich wörtlich:

Die Mediationsgruppe ist sich einig, dass die folgenden Komponenten des Pakets untrennbar mit einander verbunden sind:

- Optimierung des vorhandenen Systems

- Kapazitätserweiterung durch Ausbau

- Nachtflugverbot

- Anti-Lärm-Paket

- Regionales Dialogforum“ (Quelle: Mediationspaket).

Wie also steht es um die Realisierung der als unzertrennlich erklärten Maßnahmen?

 

Optimierung des vorhandenen Systems:

- Verlagerung von Flügen und Kooperation mit dem Flughafen Hahn

NICHT UMGESETZT. Nach der Planfeststellung 2007 verkaufte Fraport sofort seine Anteile am Flughafen Hahn.

- Kooperation zwischen Schienen und Luftverkehr

NICHT UMGESETZ. Keine nennenswerte Verlagerung auf die Bahn.

Kapazitätserweiterung durch Ausbau:

- Ausbau des Bahnensystems

VOLL UMFÄNGLICH UMGESETZ. Durch Fertigstellung der Nordwest Landebahn im Oktober 2011.

- Terminal 3 –

WIRD UMGESETZT- Baugenehmigung wurde im September 2014 erteilt obgleich sich die Bedarfsschätzungen in dem von Fraport vorgelegten Gutachten deutlich von denen in Gutachten unterscheiden, welche die Landesregierung in Auftrag gab.

 

Nachtflugverbot:

- soll sich auf den Zeitraum von 23 bis 5 Uhr erstrecken

NUR TEILWEISE UMGESETZT. Verspätete Landungen sind bis 24 Uhr erlaubt. Verspätete Starts sind mit Ausnahmegenehmigung ebenfalls bis 24 Uhr erlaubt.

Anmerkung: Die Bürger haben sich die Nachtflugbeschränkung vor Gericht erstritten. Die Hessische Regierung und die Luftfahrtindustrie wollten 17 geplante nächtliche Flüge zwischen 23 und 5 Uhr durch die Planfeststellung ermöglichen.

- in weiteren besonders sensiblen Zeitbereichen Lärmreduzierung

NICHT UMGESETZT. ln der besonders sensiblen Nachtrandstunde um fünf Uhr morgens setzt der Fluglärm abrupt ein. Anmerkung: Das von der Schwarz-Grünen Landesregierung vorgeschlagene und im Januar von der Fluglärmkommission gebilligte Lärmpausenmodell (Modell 4) bringt allenfalls eine Lärmbündelung statt Entlastung. Mit diesem Modell wird der Nordosten des Flughafens am späten Abend kaum entlastet (22-23 Uhr) und am frühen Morgen (5-6 Uhr) zusätzlich belastet. Im Südosten des Flughafens vollzieht sich der Belastungswechsel umgekehrt.

Anti-Lärm-Paket:

- Kontingentierung von Fluglärm und Lärmobergrenzen

NICHT UMGESETZ . 15 Jahre nach der Mediation gibt es weder Kontingentierung von Flugbewegungen noch sind verbindliche Lärmobergrenzen festgelegt.

- Finanzierung von passivem Schallschutz

NICHT UMGESETZ. Es sollten pro Passagier 5 DM pro

Flug erhoben werden, so dass schon in den ersten 10 Jahren mindestens eine Gesamtsumme von 1 Milliarde DM für Schallschutz zur Verfügung stünde. Um nicht nur die Fenster sondern das ganze Gebäude schallisolieren zu können.

Anmerkung: Stattdessen wurde ein Regionalfond in Höhe von ca. 300 Mill Euro vom Land Hessen gegründet, bei dem das Land und die Fluglärmbetroffenen 95.1% der Kosten tragen. Der Verursacher Fraport bezahlt lediglich 4.9%.

- Das ganze Gebäude, nicht nur die Fenster mit passivem Schallschutz versehen

NICHT UMGESETZT.

Die übergroße Mehrheit der in den Fluglärmschutzzonen Lebenden erhält lediglich einen Lüfter für die Schlafräume.

- Aufbau eines Lärmmonitoring-Systems –

NICHT UMGESETZT. Fraport hat das Primat über die Fluglärmmessstationen und stellt nur bearbeitete Daten zur Verfügung. Die weiteren Messstationen sind in kommunaler oder privater Hand und oft nicht kalibriert.

Regionales Dialogforum:

- Erarbeiten der Details von Nachtflugverbot und Anti-Lärm-PaketNUR TEILWEISE UMGESETZT. Das Regionale Dialogforum war als ,,Hüter der Mediation" sogar bereit den Bruch des Nachtflugverbotes mitzutragen, indem es 15 geplante Nachtflüge für möglich hielt.

Von den im Mediationsverfahren festgelegten Vereinbarungen sind demnach voll umfänglich nur die erfüllt, die den Ausbau des Flughafens bestätigen, nicht jedoch die, welche die Kollateralschäden begrenzen helfen sollen. Solche Erfahrungen sind nicht dazu angetan, das Vertrauen der Menschen in demokratische Prozesse zu festigen. Sie enttäuschen die geweckte Erwartung, dass Vereinbarungen und Versprechen eingehalten werden und sind Grund für die viel beklagte Politikverdrossenheit und das resignative Desinteresse an Gemeinschaftsaufgaben.

Hoffnung, doch noch gehört zu werden, kam bei der letzten Landtagswahl auf.

Die Partei der Grünen verdankt Ihre so sehr ersehnte Teilhabe an der Macht ihrer deutlichen Absage an die weitere Expansion der Fraport. Kaum an der Macht, wurden alle Versprechen Makulatur. Keine Revision der Nutzung der Nordwestbahn im Sinne einer Überlaufbahn, lediglich palliative Maßnahmen zur Lärmverschiebung, Genehmigung des wirtschaftlich riskanten 3. Terminals samt des neuen S-Bahn Anschlusses, dem schon wieder Bannwald zum Opfer fällt.

Warum, so werden sich viele zu Recht fragen, gehen wir überhaupt noch zur Wahl? Wenn die gewählte Partei nur zu ihren Parolen steht, solange sie sich machtlos in der Opposition mit Kritik profiliert, ihre Versprechen aber bricht, sobald sie an der Macht ist und wirklich etwas bewegen könnte. Warum sollte man dann noch zur Urne gehen?

Lassen Sie mich zum Abschluss nun noch einige grundsätzliche Fragen stellen.

Welches sind die Motive, in Mitten einer der am dichtesten besiedelten Regionen Mitteleuropas ein Drehkreuz für den internationalen Flugverkehr vorzuhalten, das im erhofften Endausbau zu den verkehrsreichsten in Europa zählen soll? Vermutlich geht es nicht darum nur dafür zu sorgen, dass die Menschen, die in dieser Region arbeiten in die Welt reisen können oder andere, die uns besuchen wollen, als Touristen oder Geschäftspartner zu uns kommen können. Dafür würde der Flughafen, den wir im Jahr 2000 hatten, fraglos ausreichen. Die umliegenden Städte und Industrien brauchen einen leistungsstarken Flughafen mit exzellenter Anbindung an das Bahn- und Straßennetz. Sie brauchen einen dem Bedarf angepassten Dienstleister, aber keinen autonom wirtschaftenden Umsteigebahnhof. München, Hamburg, Stuttgart und selbst Berlin kommen offensichtlich mit kleineren Flughäfen ganz gut zurecht.

Welche anderen guten Gründe als nur die Mobilitätsbedürfnisse der Region zu befriedigen könnte es geben, gerade hier so ein Drehkreuz haben zu wollen? Geht die Wirtschaftskraft dieses Unternehmens tatsächlich soweit über jene eines der Region angepassten Flughafens hinaus, um die von ihm ausgehende Belastung zu rechtfertigen? Mir zumindest scheint, dass die durch die Drehkreuzfunktion zusätzlich geschaffenen Arbeitsplätze –und nur um diesen Mehrwert geht es - nicht über das hinausgehen, was andere Wirtschaftszweige auch bieten können.

Oder geht es um den Zusatzgewinn, den die Umsteiger einbringen. Diese werden mit dem Anreiz eines dichten Verbindungsnetzes hierher gelockt und während sie auf Anschlüsse warten, lassen sie nicht unerhebliche Summen in den Restaurants und Geschäften. Die Bilanzen von Fraport weisen aus, dass die Umsätze in diesem Bereich erheblich sind und die der Fliegerei im engeren Sinne übertreffen. Von der Drehkreuzfunktion , also dem Verkehr, der über die Bedürfnisse der regionalen Wirtschaft hinausgeht, profitieren also die Pächter der Geschäfte, Fraport als Verpächter und die Aktionäre von Fraport, also auch die Großaktionäre, das Land Hessen und die Stadt Frankfurt.

Um zu verdeutlichen, wie sich die Kosten Nutzen Relation für diesen Mehrwert der Drehkreuzfunktion darstellt schlage ich ein Gedankenexperiment vor. Man stelle sich vor, ein Unternehmer bäte die Behörden um Genehmigung zur Errichtung einer Plattform, die kaufkräftige Reisende anzieht, diese aber nicht in die Region entlässt sondern dafür sorgt, Ihre Devisen in Läden zu lassen, die man von ihm mieten kann und der dann hinzufügt, dass seine auch für Pächter und Aktionäre profitable Unternehmung leider mit einer erheblichen Belastung der Anwohner in ausgewählten Regionen verbunden ist. Ist vorstellbar, dass ein solches Ansinnen je genehmigt würde?

 

Hätte es Alternativen zum Ausbau dieses Drehkreuzes gegeben oder gibt es sie vielleicht wider allen Anschein immer noch?

Diese Frage ist eng mit der Frage verbunden, ob je jemand darüber nachgedacht hat, ob das in den Ausbau des Flughafens investierte Kapital nicht auf andere Weise hätte eingesetzt werden können, um die Region attraktiver, prosperierender und wettbewerbsfähiger werden zu lassen. München geht es gut, sehr gut sogar und die Stadt bietet ihren Bewohnern hohe Lebensqualität. Der Grund ist eine ausgewogene Mischung von High Tech Unternehmen, attraktiver Branchen im Kultur und Dienstleistungsbereich und einiger Hochschulen in der Oberliga. Hier wird weit mehr Wert geschöpft und vor allem ortsspezifischere Nachhaltigkeit erzeugt als mit einem Drehkreuz für den ortsungebundenen Luftverkehr. Anders als ein Umsteigebahnhof, der in ortsgebundene Verkehrsnetze eingebunden sein muss, lässt sich ein Drehkreuz für Flieger fast überall realisieren und benötigt nicht einmal eine Metropolregion. Beispiele sind die Flughäfen von Denver oder Dulles. Solchen Drehkreuzen haftet nichts besonderes an, aber da sie eine erhebliche Belastung für ihre Umgebung darstellen müssen deren Betreiber nicht nur auf ihren eigenen Profit achten, sondern mehr als andere Unternehmen besonders belastbare Beweise dafür liefern, dass sie erheblich zur Prosperität der Region beitragen. Hier liegt die Beweislast eindeutig beim Unternehmen.

Bislang weisen die Statistiken aus, dass der tatsächliche Bedarf ständig hinter den Versprechungen und Erwartungen zurück blieb, weil die erhofften Zuwächse bei den umsteigenden Passagieren ausblieben. Das wird sich auch in Zukunft nicht viel anders darstellen, weil das komplizierte Bahnsystem – unabhängig von der nicht weiter zu steigernden Belastung der Bevölkerung – eine drastische Erhöhung der Bewegung großer Flugzeuge nicht zulässt und außerdem in den Golfstaaten und in der Türkei Großflughäfen entstehen, die für viele Umsteiger attraktiver sind -- und, falls Berlin je fertig wird, so wird man sich auch dort bemühen, Umsteiger anzuziehen und das Gleiche gilt natürlich für München, wo eine dritte Bahn mit weit weniger Belastung für die Bevölkerung eine wirklich drastische Erweiterung der Kapazität bewirken würde.

Und so wird die Frage unausweichlich, ob wir nach Sichtung all dieser Argumente nicht innehalten, einen Schritt zurücktreten, das sehr komplexe Problem in Ruhe und mit etwas Abstand betrachten und dann endlich zu vernünftigen, konsensfähigen Entscheidung kommen sollten, anstatt phantasielos in ausgetretenen Wegen einfach weiterzugehen und das schwer zu beweisende Mantra zu wiederholen, der weitere Ausbau dieses Drehkreuzes sei unverzichtbar für die Prosperität der Region.

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Bündnis der Bürgerinitiativen
Kein Flughafenausbau - Für ein Nachtflugverbot von 22 - 06 Uhr