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11. Dezember 2017, Frankfurter Flughafen, Terminal 1

Zweihunderteinunddreißigste Montagsdemo
Religion und Fluglärm

Harald Jaensch, Pfarrer i. R.

Wird das neue Gutachten der EKHN über Störungen religiöser Handlungen durch Lärm bei künftigen Planfeststellungsverfahren und Verwaltungsentscheidungen berücksichtigt werden?

Liebe Freundinnen und Freunde!

I: Worum geht es? Es geht um die öffentliche Geltendmachung des Grundrechts der ungestörten Religionsausübung, Art. 4, Abs. 1, 2 GG und die Möglichkeiten der Nutzung der Argumentationshilfen des Gutachtens.

  • Hintergrund ist die negative Erfahrung: Lärm schädigt Körper, Seele und Geist. Es gibt zahllose uneingelöste Schutzansprüche. Doch das deutsche Planungsrecht beschäftigt sich im Blick auf berechtigte Schutzansprüche fast ausschließlich nur mit dem Körper. Die Seele und der Geist des Menschen bleiben auf der Strecke.

  • Das Grundgesetz geht aber nicht nur von der leiblichen und geistigen Existenz des Menschen aus, sondern gesteht ihm auch eine religiöse Dimension zu – die im Planungsrecht seit Jahrzehnten nicht berücksichtigt wird.

Wie kann es sein, dass in Projektbeschreibungen neuer Bahntrassen der Bahn-AG (Schiene-Nord, 29.11.2017, S. 55) Sätze stehen wie „Friedhöfe und andere Flächen haben keinen Anspruch auf Schallschutz.“? Warum gibt es keinen Aufschrei der vielen betroffenen Kirchengemeinden entlang solchen Planungstrassen?

Nicht zuletzt daher rührt die Motivation kirchlicher Initiativen, die den beeindruckenden kooperativen kirchlichen Lernprozess mitgestaltet haben.

Das Ergebnis ist das jetzt vorliegende Gutachten vom Zentrum für interdisziplinäre Studien zum Religions- und Verfassungsrecht (mit einem Theologen, einem Religionsverfassungsrechtler und einem Planungsrechtler) im Auftrag der Evanglischen Kirche in Hessen und Nassau.

  • Die Lerngeschichte-Stichworte: Impulse Kooperationspartner. Impuls aus der Situation der "Niederlage"-Neue Landebahn 2011. Einwohnerversammlung in Rheingoldhalle mit Landesregierung Rechtsanwalt Dr. Martin Schröder „Die Kirchen haben einen Schlüssel in der Hand.“ 2012 Kirchenvorstand Flörsheim: Bereitschaft, auf der Grundlage von Art. 4, Abs. 1, 2 GG zu klagen.Begleitkreis zur Aktivierung Art. 4,1.2.GG trug die neuen Erkenntnisse in Dekanate und in die Kirchensynode. Anträge aus Mainzer Dekanatssynode an Kirchensynode: Bürgerinitiativen baten Kirchen um die inhaltliche Beschreibung der Schutgüter. Lärm-Stille-Stand auf DEKT Stuttgart und Berlin mit Unterstützung der EKHN und Beteiligung des Präses der Kirchensynode 2014: Kirchensynode- Formulierung der theol Fragen Richtung Gutachten. 30.11.2017 Kirchensynode "Feierliche" Präsentation des Gutachtens mit Autoren des Gutachtens. Kirchenpräsident und Präses der Synode bedanken sich für die Impulse aus Initiativen und Bürgerinitiativen.

  • Umweltpfarrer Dr. Meisinger vor Präsentation des Gutachtens:
    Die Kröte und der Hamster haben einen Anspruch auf ein geordnetes Verfahren, in dem ihre Belange zur Sprache kommen, – nicht aber die gestörte Trauergemeinde auf einem verlärmten Friedhof.

  • Nach den Beschlüssen von Synode und Kirchenleitung der EKHN soll sich dies mit der Veröffentlichung des neuen Gutachtens grundlegend ändern: Die Kirchenleitung meldet Ansprüche auf mehr Beteiligung bei zukünftigen Planfeststellungsverfahren an. Sie ist bereit, ihre Verantwortung als Trägerin und Verteidigerin des Grundrechts auf ungestörte Religionsausübung zu übernehmen und die nach Art. 4 Abs. 1, 2 GG einklagbaren Schutzgüter Ruhe und Stille in künftige Planfeststellungsverfahren einzubringen.

II: Zusammenfassender Kommentar: Auf dem geistigen Hintergrund des bestehenden Planungsrechtes verstehen wir das neue Gutachten

  1. als öffentlichen Startschuss zur Aktivierung des Grundrechts der freien und ungestörten Religionsausübung, Art. 4 Abs. 1, 2 GG; und

  1. als Quantensprung hin zur Entwicklung einer nachhaltigen Humanisierung des Planungsrechtes. Die Kirchenleitung hat sich vorgenommen, das Gutachten als Argumentationsmaterial allen Gliedkirchen und der EKD zugänglich zu machen. In jedem Bundesland stehen neue Großprojekte an. Die „Argumentationshilfen“ können von jedem Grundrechtsträger von Art. 4. GG in den nächsten Planfeststellungsverfahren als Einspruchs- und Klagematerial genutzt werden.

Grundrechtsträger – das wird in dem Gutachten auch gesagt – ist aber ebenso jeder einzelne betroffene „Gläubige“ im weitesten Sinne. Jeder von einer Planung betroffene Gläubige kann sich auf sein Recht ungestörter Religionsausübung berufen und juristisch gegen dessen Störung vorgehen.

 

III: Liebe Freunde, wer beim Besuch von Verwaltungsgerichtsprozessen in Sachen Fluglärm bisher mitgelitten hat, darf gespannt sein auf zukünftige Klageverfahren mit Einbeziehung von Art. 4 Abs. 1, 2 GG.

Mit der neuen Argumentation, die uns das Gutachten an die Hand gibt, wird sich erwartungsgemäß die gesamte inhaltliche und strukturelle Kommunikation mit den Behörden und Gerichten ändern.

Juristen werden sich erst einmal in die theologisch-ethische Materie einarbeiten müssen.

Inhaltlich neu sind beispielhafte theologisch-ethisch grundlegende Thesen:

Gottesdienst setzt das Erleben von Stille voraus. Respekt vor dem heiligen Schweigen ist legitime Forderung für jeden Gottesdienst und jedes kirchliche Ritual, auch die Bestattung.

a. Gebet ist mehr Hören als Reden.

b. Andacht und Gebet sind so sensibel, dass sie nicht nur durch laute Geräusche, sondern, unabhängig von der Lautstärke, grundsätzlich durch wesensfremde Geräusche irritiert werden können.

Auch wenn die zu erwartende Diskussion das Ergebnis der Verfahren nicht auf den Kopf stellt – mit dem Einzug der Argumentation aufgrund von Art. 4 Abs. 1, 2 GG soll das Planungsrecht nicht mehr nur im Dienst der Wirtschaft stehen, sondern seine unter Berufung auf das Grundrecht der ungestörten Religionsausübung eine menschliche Dimension zurückerhalten!

Mit der darin aufbereiteten theologischen Argumentation – eingebettet in verfassungsrechtliche Bezüge des Planungsrechts – legt das Gutachten ein völlig neues Fundament für grundrechtsorientierteEinsprüche bei zukünftigen Planfeststellungsverfahren.

 

IV: Herausragende Leistungen des Gutachtens
Theologisch-ethische Aussagen, die 30 Seiten umfassen, bilden ein einleuchtendes geistlich tragendes Fundament.

Kernaussagen:

Bestattungen unter erheblichen Lärmbelastungen sind aus der Perspektive von Trauernden keine „richtige Bestattung“ (Hauschildt, S. 30). Die Störungen einer Trauerfeier beeinträchtigen nicht nur die Zeremonie als solche, sondern wirken sich negativ auf eine wichtige Funktion von Religion für die gesamte Gesellschaft aus. Dies kann der Gesellschaft nicht gleichgültig sein!

Im Gutachten heißt es dazu:

Je nach Art und Umfang der Emissionen, die gutachterlich festzustellen sind, handelt es sich um einen schweren Eingriff. Ein solcher liegt z.B. vor, wenn durch Fluglärm regelmäßig die ordnungsgemäße Durchführung einer Bestattung so sehr gestört wird, dass Gebete und Ansprachen unterbrochen werden müssen und sich diese Unterbrechungen im Verlauf einer gottesdienstlichen Handlung kurzfristig und mehrfach wiederholen.“

 

V: Warum wird zukünftig Art. 4 Abs. 1, 2 GG in Planfeststellungsverfahren eine erhebliche und wichtige Rolle spielen?
Hier kommt der Verfassungsrechtler im katholischen Autorenteam des Gutachtens zum Zug. Seine Argumentation:

Den Kirchen kommt die verfassungsgegebene Autorität zu, die kircheneigenen Rechtsgüter der inneren Einkehr und Stille in Eigenverantwortung autonom zu beschreiben. Das betrifft auch den Grad der Störbarkeit durch Lärm.

VI: Das Gutachten beendet mit seinen Ausführungen zu Art. 4 GG den Streit über die Relevanz von Art. 4 Abs. 1, 2 GG neben Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG („Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“).

Es gilt: Art. 2 Abs. 2 GG kann Art. 4 Abs. 1, 2 GG keinesfalls ersetzen – wie auch umgekehrt nicht.

Bitten an den Kirchensynodalvorstand und an die Kirchenleitung

Mein Freund und Kollege Pfarrer i. R. Wolfgang Drewello und ich haben jeweils einen Brief an den Präses der Synode Dr. Ulrich Oelschläger und an den Kirchenpräsidenten unserer EKHN mit Anregungen und Bitten zur Weiterarbeit geschrieben.

Zu Ziff. 6. der Drs. Nr. 52/17:
Wir begrüßen den Entschluss der Kirchenleitung, das Gutachten bis in die EKD bekanntzumachen. Aus synodaler Sicht sollte das Gutachten jedoch – im Hinblick auf die gesamtgesellschaftliche Bedeutung (s. Kirchenleitungsvorwort zum Gutachten) – zusätzlich in mehrschichtiger Weise öffentlich gemacht werden:

a) Insbesondere sollte auch die Vielzahl der betroffenen Gläubigen als einspruchsberechtigte Grundrechtsträger, mit den Anliegen des Gutachtens bekannt gemacht und darüber informiert werden.

b) Das Gutachten sollte den hauptbetroffenen Körperschaften, insbesondere Kirchengemeinden und Dekanaten, verständlich erklärt nahegebracht werden.


Zu Ziff. 4 der Drs. Nr. 52/17:
Mit Recht weist die Kirchenleitung auf die Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses hin. Wir teilen die Einschätzung der Kirchenleitung, eine Klage gegen den PFB sei aussichtslos.

Doch angesichts der heute schon gegebenen Belastungen und Störungen der Religionsausübung innerhalb einiger betroffener Kirchengemeinden bitten wir die zuständigen Gremien der EKHN um Prüfung von Möglichkeiten niedrigschwelliger juristischer Einwirkung auf das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung (HMWEVL) als Planfeststellungs- und Aufsichtsbehörde des Verkehrsflughafens Frankfurt/Main zum Schutz vieler betroffener Kirchengemeinden. (Zwar ist absehbar, dass zunächst „nichts“ geschehen wird, doch bei den nächsten anhängigen Verfahren liegt das Gutachten bereits auf dem Tisch.)

 

Danksagung
Zunächst ist Dank und Anerkennung all denen zu sagen, die in den vergangenen Jahren und bis jetzt zum gemeinsamen (Lern-)Prozess zur Geltendmachung von Art. 4, Abs. 1, 2 GG beigetragen haben, der schließlich zu diesem ebenso umfassenden wie genauen Gutachten geführt hat:

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