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Frankfurt, 03. April 2006
BUND erwartet Neuauflage
des Erörterungstermins
Wirtschaftsminister Rhiel (CDU) entscheidet über die
nächsten Verfahrensschritte - Verfahrensverzögerung durch
Planungsfehler der Fraport AG
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) be-wertet
den am vergangenen Montag zu Ende gegangenen Erörterungstermin
als Erfolg für die Einwenderseite. Für den BUND zeigt
sich einmal mehr, dass Verfahrensverzögerungen durch schlechte
Planungen und nicht durch überzogene Vor-schriften verursacht
werden. "Fraport hat mit der Vorlage der mangelhaften Unterlagen
ein Eigentor geschossen. Wenn die zahlreichen und massiven Defizite
in den zentralen Gutachten behoben sein werden, hat die Planung
ein völlig anderes Gesicht", stellt die Vorstandssprecherin
des BUND Hessen, Brigitte Martin, fest. Eine neue Offenlage und
Erörterung wäre deshalb zu er-warten. Falls Wirtschaftsminister
Alois Rhiel (CDU) sich hingegen für die Strategie des "Augen
zu und durch" entscheidet, steigen die Klageaussichten der
Betroffenen gegen den Planfeststellungs-beschluss.
Der abgeschlossene Erörterungstermin ist bereits durch schwere
Formfehler belastet, die voraussichtlich auf einen künftigen
Ge-nehmigungsbescheid durchwirken. In zwei Entscheidungen ver-warf
der Verwaltungsgerichtshof Kassel schon während des Er- örterungstermins
die Blockadepolitik der Landesregierung und öffnete den Betroffenen
den Zugang zu den Behördenakten. Der vom Regierungspräsidium
Darmstadt vorgenommene Heilungs-versuch ist aus Sicht des BUND misslungen.
"Man kann nicht ernsthaft verlangen, dass Betroffene an der
Erörterung teilnehmen und zeitgleich Hunderte von Stellungnahmen
durchsehen", kritisiert BUND Sprecherin Brigitte Martin.
Insbesondere die unzureichende Luftverkehrsprognose infiziert zahlreiche
andere Gutachten. Bereits während des Erörterungs-termins
wurde bekannt, dass das Regierungspräsidium sich der Kritik
der Betroffenen an der Luftverkehrsprognose angeschlossen hatte.
Fraport konnte nicht glaubhaft machen, dass im 2015 ohne einen Ausbau
500.000 und mit einem Ausbau 657.000 Flugbe-wegungen pro Jahr stattfinden
würden. Das entsprechende Gut-achten hatte u.a. weder die Entwicklung
der Billigflieger noch die rasante Steigerung der Kerosinpreise
berücksichtigt. Auch der Aufbau des dritten Lufthansa-Drehkreuzes
in Zürich fehlte im Gut-achten. Abwegig ist die Behauptung
des Fraport-Vorsitzenden Wilhelm Bender in der Frankfurter Rundschau
vom 24.03.06, man hätte die Prognose auch ohne die Kritik der
Einwender geändert. "Tatsache ist, dass die Fraport im
Erörterungstermin tagelang jede Kritik zurückgewiesen
und die Prognose bis an die Grenzen des Erträglichen verteidigt
hat", stellt BUND-Vorstandssprecherin Brigitte Martin klar.
Strittig blieb auch, wie viele Flugbewegungen pro Jahr nach dem
Ausbau maximal möglich sind. Während die Kommunen und
der BUND durch Gutachter aufzeigten, dass dann mindestens 900.000
Flüge pro Jahr möglich wären, verweigerte Fraport
den Blick über das Jahr 2015 hinaus. Da die Bahn aber frühestens
2009 in Betrieb gehen würde, war diese Kurzsichtigkeit auch
für das Regierungspräsidium nicht mehr akzeptabel und
es forderte einen längeren Planungszeitraum.
Für den BUND ist klar, dass die neue Luftverkehrsprognose deutlich
über den bisherigen Zahlen liegen wird. Höhere Flugbe-wegungen
bedeuten aber auch mehr Lärm und mehr Schadstoffe. Damit steigen
die Gesundheitsrisiken der Bevölkerung und die Probleme für
die Natur.
Auch die Frage der Verkehrserschließung muss neu aufgerollt
werden. Denn mehr Flüge bedeuten mehr Passagiere und mehr Passagiere
bedeuten mehr Auto- und Bahnfahrten auf den schon heute überlasteten
Verkehrswegen rund um den Flughafen. Ein täglicher Rückstau
bis ins Frankfurter Kreuz hätte aber gewaltige Folgen für
die Volkswirtschaft und wäre sicher nicht akzeptabel.
Mehr Flugbewegungen bedeuten auch eine Erhöhung des Risikos.
Dies gilt für die Nähe zum Chemiewerk "Ticona"
ebenso wie für das Vogelschlagrisiko über dem Main und
am Mönchwaldsee. Der Mönchwaldsee ist Teil eines EU-Vogelschutzgebietes
und wird im Winter von bis zu 1.000 Wasservögeln aufgesucht.
Während andernorts Gewässer beseitigt werden, um das Risiko
des Vogel-schlags zu verringern, will Fraport mit dem Sicherheitsbereich
der neuen Landebahn sogar in den Seebereich hineinrücken. Regier-ungspräsident
Gerold Dieke (FDP) war von der Argumentation des BUND und anderer
beim Erörterungstermin so beeindruckt, dass er die gute Qualität
der Argumentation in der Pressekonferenz am 22.03.06 ausdrücklich
hervorhob und Nachforderungen des Landes zu diesem Sicherheitsbereich
andeutete. Da eine Überar-beitung des Vogelschlagrisikos nicht
ohne neue Geländeunter-suchungen möglich ist, diese aber
erst Ende des nächsten Winters abgeschlossen sein könnten,
geriete dann der bisherige Zeitplan des Wirtschaftministeriums,
der noch die Planfeststellung für 2007 vorsieht, massiv unter
Druck.
Weiterhin ungelöst ist die Realisierung des so genannten Nacht-flugverbots,
d.h. der Flugruhe zwischen 23.00 und 05.00 Uhr. Lufthansa und andere
Fluggesellschaften haben ihre Klageabsicht gegen dieses politische
Versprechen im Erörterungstermin bekräftigt. Die Landesregierung
kann weiterhin keinen Weg zur Umsetzung aufzeigen. Der Verhandlungsführer,
Dr. Günter Gaentzsch, sah im Termin ebenfalls keine Möglichkeit
zur Durch-setzung. Damit hängt der Ausbau weiter am seidenen
Faden, denn immer wieder hat Ministerpräsident Roland Koch
ver-sprochen: Kein Ausbau ohne Nachtflugverbot.
Bereits seit einem Jahr kennt Fraport die Forderung des Regier-ungspräsidiums
nach einer Einarbeitung des aktuellen Kenntnis-standes in die Naturschutzgutachten
zu den sechs (!) euro-päischen Schutzgebieten. Passiert ist
bis heute nichts. Der Er- örterungstermin bestätigte hier
einerseits längst bekannte Mängel. Heftige Auseinandersetzungen
gab es zu Sachfragen. So be-streitet die Fraport AG schädliche
Auswirkungen der Luftschad-stoff durch den Ausbau auf die Wald-Ökosysteme.
Neu war auch, dass das Land Rheinland-Pfalz für seine Schutzgebiete
am Rhein erhebliche Probleme durch den höheren Flugbetrieb
der letzten Jahre festgestellt hat und deshalb für den Fall
des Flughafenaus-baus Ausgleichsmaßnahmen mit einem Umfang
von 350 Hektar allein in Rheinland-Pfalz fordert. Diesen Konflikt
bestreitet Fraport pauschal, konnte seine Meinung aber nicht belegen,
weil Gut-achten, die die eigene Auffassung stützen, bisher
fehlen. Werden die Naturschutzgutachten nicht vollständig und
umfassend er-neuert, kann der Flughafenausbau nach Ansicht des BUND
nicht genehmigt werden.
Rückfragen
beantworten Ihnen
Thomas Norgall, Naturschutzreferent
BUND Hessen
Telefon 069 – 67 73 76 14, Telefax: 069 - 67 73 76 20
Triftstr. 47, 60528 Frankfurt/M. - Niederrad
eMail: thomas.norgall@bund.net
www.bund-hessen.de
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