[10. Januar 2006]
Frankfurter
Flughafen: Öffentlicher Raum oder Privatbesitz?
Entscheidung vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe am
20. Januar 2006
Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe wird am
20. Januar 2006 darüber verhandeln, ob das Grundrecht auf
Meinungs- und Ver-sammlungsfreiheit auch am Flughafen gilt. Der
bevorstehenden Entscheidung ging die Klage einer Abschiebegegnerin
aus Frankfurt gegen ein vom privaten Flughafenbetreiber Fraport
verhängtes Hausverbot voraus. Das Hausverbot wurde erteilt,
als die Abschiebegegnerin Informationen über eine bevorstehende
Abschiebung an den betreffenden Piloten weitergeben wollte und
Handzettel an die Fluggäste verteilte.
Am 20. Mai 2005 hatte das Frankfurter Landgericht
dieses Haus-verbot für rechtens erklärt und damit ein
vorausgegangenes Urteil des Amtsgerichts bestätigt. Der Flughafen
unterliege nicht der Grundrechtsbindung und so müsse die
Fraport auch keine Proteste gegen Abschiebungen zulassen, so die
Begründung des Landgerichts.
Die Klägerin, Mitglied des Aktionsbündnisses
gegen Abschiebung, legte gegen dieses Urteil Revision vor dem
Bundesgerichtshof ein.
Der Präsident der Internationalen Liga
für Menschenrechte, Publizist und Rechtsanwalt Dr. Rolf Gössner
wird der Ver-handlung als Prozessbeobachter beiwohnen und den
Fall begleiten, denn so Rolf Gössner: “Es geht um die
Grundsatzfrage: Ist es mit den Prinzipien einer rechtsstaatlich
verfassten Demokratie vereinbar, dass öffentlicher Raum in
Privatbesitz umdefiniert wird, wo dann elementare Grundrechte
drastisch eingeschränkt, ja regelrecht suspendiert werden
können? Darf sich eine Demokratie solche grundrechtsfreien
Räume leisten - zumal, wenn in diesen hoheitliche Aufgaben
wahrgenommen werden?“
Wie wichtig und legitim Proteste vor Ort
sind, hatten zuletzt die Aktionen gegen die Abschiebung der Iranerin
Zarah Kameli im Februar 2005 gezeigt, die nach der Verhinderung
ihrer Ab-schiebung ein Bleiberecht in Deutschland erhalten hatte.
Dazu erklärte Heiko Kauffmann, PRO ASYL-
Vorstandsmitglied und Erstunterzeichner des Aufrufs:
„Die Abschiebepraxis am Flughafen verstößt immer
wieder eklatant gegen die Menschenwürde von Flüchtlingen:
Flüchtlinge werden im Gewahrsam der Bundespolizei schikaniert
und miss-handelt; sie werden gefesselt und geknebelt zu Abschiebeflügen
getragen; immer wieder versuchen im Flughafenverfahren be-findliche
Flüchtlinge , sich aus Verzweiflung das Leben zu nehmen oder
kommen bei der Abschiebung zu Tode. Täglich werden Menschen
in Angst und Verzweiflung gestürzt, weil sie von Frankfurt
aus – dem größten Abschiebeflughafen Deutschlands-
in potentielle Verfolgerstaaten abgeschoben werden.
Dies alles geschieht in einer behördlichen Grauzone, in der
Flücht-linge hilflos, allein und ohnmächtig staatlicher
Macht ausgeliefert sind. Die Skandalisierung dieser täglichen
Verletzung der Menschenwürde und der engagierte Protest dagegen
gehören zu den wichtigsten Aufgaben der Zivilgesellschaft
und einer demokratischen Öffentlichkeit!“
Am Freitag, den 20.1.2006 um 9.00 Uhr wird
jetzt vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe verhandelt werden,
ob das Urteil des Landgerichts Frankfurt Bestand hat.
Eine Bestätigung des Urteils würde es der Fraport und
somit auch der Lufthansa und anderen Fluggesellschaften erlauben,
die Meinungs- und Versammlungsfreiheit aus dem Flughafengelände
auszuschließen und es somit unmöglich machen, vor Ort
gegen staatliche Abschiebemaßnahmen und die geschäftsmäßige
Be-teiligung von Fluggesellschaften daran zu protestieren. Die
Fraport versucht damit nicht nur AbschiebegegnerInnen abzuschrecken,
sondern wichtige Proteste zu kriminalisieren.
Eine andere Auffassung als das Landgericht
Frankfurt vertrat übrigens im März 2003 der Hessische
Verwaltungsgerichtshof in einem Beschluss zu Versammlungen gegen
den Irak-Krieg am Frankfurter Flughafen. Eine Aktiengesellschaft,
die wie die Fraport AG mehrheitlich von der öffentlichen
Hand betrieben wird, unter-liege der Grundrechtsbindung aus Art.
8 des Grundgesetzes, so der Hess. VGH.
Eine große Anzahl von Bürgerinitiativen,
Menschenrechts-organisationen und Einzelpersonen hat bisher einen
Aufruf des Aktionsbündnisses unterzeichnet (siehe Anhang).
Wir möchten Sie zu zwei Termine im Januar
einladen, die in direktem Zusammenhang mit der Verhandlung und
ihrer Thematik stehen:
Demonstration gegen Hausverbote am Frankfurter Flughafen
Samstag, den 14.01.2006 um 12.00
Uhr
Treffpunkt: Terminal I Busparkplatz Bereich A
Redebeiträge:
PRO ASYL
Aktionsbündnis gegen Abschiebungen Rhein-Main
StadtschülerInnenrat Frankfurt
Komitee für Grundrechte und Demokratie
Bürgerinitiativen gegen Flughafenerweiterung
Veranstaltung zum Thema Hausverbot:
Ist das Grundrecht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit
an Flughäfen gültig?
Donnerstag, den 19.01.2006 um 19.30 Uhr
Ort: Radio Oriente, Hirschstr. 18, Nähe Europaplatz in Karlsruhe
Redebeiträge:
RA Dr. Rolf Gössner (Präsident der Internationalen Liga
für Menschenrechte)
RAin Brigitte Kiechle
Aktionsbündnis gegen Abschiebungen Rhein-Main
Flughafen BI
Begrüßung und Moderation Angelika von Loeper
Verhandlung am Bundesgerichtshof
Freitag, den 20.01.2006 um 9.00 Uhr
Saal N004, Herrenstr.45 a, in Karlsruhe
Mit freundlichen Grüßen
Julia Kümmel
für das Aktionsbündnis Rhein-Main
gegen Abschiebung
c/o Dritte Welt Haus
Falkstr. 74
60487 Frankfurt/Main
Email:
aktionsbuendnis-rm@web.de
Weitere Informationen (Urteil des Landgerichts, Stellungnahmen,
Presseartikel, Prozesserklärung u.a.) finden Sie unter:
www.aktivgegenabschiebung.de/hausverbot.html
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